
Die Zentralbibliothek in der Innenstadt
Die Bibliothek ist ein Ort der Begegnung, Bildung und Inspiration
Die Stadtbibliothek Bremen mit Hauptsitz in der Innenstadt am Wall ist auch mit vielen Standorten direkt in den Ortsteilen präsent. Wir waren bereits in fast allen Zweigstellen in den unterschiedlichsten Stadtteilen zu Gast. In dieser Ausgabe sind wir nun in der Zentralbibliothek im Herzen Bremens. Im Interview sprachen wir mit der Leiterin Tina Echterdiek über den Alltag und die Besonderheiten vor Ort.
Schön, dass Sie Zeit gefunden haben. Wie würden Sie persönlich die Besonderheiten ihrer Bibliothek beschreiben?

Tina Echterdiek: Unsere Bibliothek ist weit mehr als ein Ort, an dem man sich Bücher ausleiht. Wir sind ein Treffpunkt für alle Menschen, unabhängig von Alter, Herkunft oder Bildungshintergrund. Hier kann man lesen, lernen, spielen oder einfach die Zeit genießen. Besonders wichtig ist uns, dass sich alle Menschen bei uns willkommen fühlen. Das spiegelt sich in der Atmosphäre, der Vielfalt unserer Angebote und der Haltung unserer Mitarbeitenden wider. Wir wollen mit dem veralteten Image einer stillen Bibliothek mit vielen alten Büchern aufräumen und zeigen tagtäglich aufs Neue, dass wir ein lebendiger, moderner Ort sind.
Man kann ohne jegliche Kosten zu uns kommen und alle unsere Medien und Angebote nutzen oder hier einfach Zeit verbringen. Wir haben sogar eine virtuelle Kaminecke mit Sesseln und gemütlichen Sitzflächen vor Ort, eine VR-Brille zum ausprobieren, man kann kreativ und mit KI-Tools digitale Bilder erstellen und viele mehr.
Nach den Besuchen in den anderen Zweigstellen der Stadtbiliothek stellen wir auch hier Am Wall 201 im Forum auf allen Stockwerken eine ganz spezielle offene Atmosphäre fest …

Das ist schön, dass sie es so empfinden. Ich denke, es ist die Verbindung aus unserem großen Angebot und den Möglichkeiten, hier zur Ruhe zu kommen. Wir bieten nicht nur klassische Bücher, sondern auch E-Books, Musik, Filme, Brettspiele, Kartenspiele, Videospiele, Musikinstrumente, Kunstwerke und in der Bibliothek der Dinge sogar Alltagsgegenstände wie Bohrmaschinen, Eismaschine oder Stand-up-Paddling-Boards. Gleichzeitig haben wir Veranstaltungsräume, viele Lerninseln, Sprachcafés und zahlreiche kleine und große Begegnungsorte, die Menschen bei uns zusammenbringen. Stolz bin ich auch darauf, dass wir ebenfalls immer mehr sozialpädagogische Arbeit leisten – etwa durch Lesungen in Justizvollzugsanstalten oder spezielle Angebote für Deutschlernende. Unser Angebot ist wirklich sehr vielfältig und immer wieder gibt es etwas spannendes Neues im Terminkalender zu entdecken.
Wie versuchen Sie, mehr Menschen auf Ihre Bibliothek aufmerksam zu machen?
Einige Menschen wissen nicht, was wir alles zu bieten haben. Deshalb ist es uns wichtig, noch öffentlichkeitswirksamer aufzutreten. Wir veranstalten Führungen, informieren über soziale Medien und versuchen, Kooperationen aufzubauen – zum Beispiel mit Schulen und Ausbildungsbetrieben. Wir denken zunehmend gemeinsam mit der Zielgruppe über neue Formate nach. Wir möchten überraschen und zeigen, dass eine Bibliothek ein Ort für Menschen ist, nicht nur für Bücher.
„Besuchen Sie uns und lassen Sie sich überraschen!“
Wie steht es um die Besucherstruktur? Gibt es Zielgruppen, die besonders schwer zu erreichen sind?

Jugendliche in der Pubertät sind manchmal schwerer zu erreichen. Hier versuchen wir, durch attraktive Angebote wie Gaming-Abende oder thematische Veranstaltungen oder mit „Chosen“ – Jugendliche können dabei mitentscheiden, welche Bücher wir in den Bestand aufnehmen – Interesse zu wecken. Berufstätige nutzen die Bibliothek oft in der Mittagspause oder nach Feierabend und leihen Medien für die gesamte Familie oder den eigenen gemütlichen Abend auf dem Sessel aus. Interessanterweise haben wir insgesamt mehr weibliche als männliche Nutzer. Was uns jedoch freut: Unsere Bibliothekskarte ist mit rund 65.000 aktiven Inhabenden in Bremen gut vertreten. In Deutschland liegt der Anteil an Menschen, die eine Bibliothek nutzen, bei zehn Prozent. In Skandinavien liegt die Quote deutlich höher. Es gibt dort sogar ein eigenes Bibliotheksgesetz, das die kostenfreie Nutzung für die Bevölkerung sichert. Diese Länder haben den Wert der Bibliothek im Leben der Menschen und für den Staat bereits erkannt.
Nehmen Sie einen Wandel in der Bibliotheksarbeit wahr?

Ja, der Wandel ist deutlich spürbar: Während physische Ausleihen langsam zurückgehen, steigt die Nachfrage nach digitalen Medien und Veranstaltungen. In Ländern wie Skandinavien wurde dieser Wandel schon früher vollzogen, indem Bücherregale an die Ränder gerückt und größere Flächen mit Freiraum geschaffen wurden. Wir sehen uns ebenfalls in einer Transformation hin zu einem sozialen und kulturellen Treffpunkt. Die gesellschaftlichen Themen fliegen uns dabei nur so zu – das finde ich echt sehr spannend. Das Thema Demokratie und Demokratieförderung steht dabei im Fokus. Wir sind ideale Orte, an denen Menschen erleben, was Demokratie bedeutet – freie Meinungsbildung und ganz wichtig: meine Stimme zählt. Wir werden künftig noch mehr Möglichkeiten zur Teilhabe an Diskursen bieten. Und auch Metakompetenzen fördern, wie Zuhören, Perspektivwechsel, Ambiguitätstoleranz für eine ‚konstruktive Streitkultur‘.
Was würden Sie sich für die Zukunft der Bibliothek wünschen?
Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen erkennen, wie wertvoll dieser Ort ist. Klar, ein größeres Budget würde Möglichkeiten schaffen, um unsere Räume und Angebote weiter auszubauen. Ich möchte, dass wir noch bekannter werden als Ort, der für wirklich alle Menschen offen ist und durch Veranstaltungen sowie innovative Angebote Menschen in Bremen zusammenbringt.
Gibt es ein persönliches Highlight in Ihrer Arbeit?
Ich liebe es, unseren Besuchenden auch direkt zu begegnen, zb durch Veranstaltungen wie gemeinsames Lesen oder „Lyrik grenzenlos“. Es ist faszinierend zu sehen, wie Literatur Menschen inspiriert und zu Diskussionen anregt – übrigens, nicht nur hier vor Ort, sondern selbst in so ungewohnten Umfeldern wie Justizvollzugsanstalten. Mir persönlich ist es besonders wichtig, die Mitarbeitenden zu fördern, zu motivieren und ihre Stärken einzusetzen. Die Begeisterung und der Stolz der über 40 Kolleginnen und Kollegen auf ihre Arbeit sind für mich total ansteckend und es macht mir viel Freude, mit den drei Teams gemeinsam zu arbeiten.
Abschließend: Was möchten Sie den Bremerinnen und Bremern über Ihre Bibliothek mit auf den Weg geben?
Besuchen Sie uns und lassen Sie sich überraschen! Unsere Bibliothek ist ein Ort der Vielfalt, des Austauschs und der Inspiration mit rund 300.000 unterschiedlichen Medien zum Ausleihen. Hier finden Sie kostenlos Wissen, Gemeinschaft, Unterhaltung, Ruhe und viele neue Perspektiven. Und wenn man etwas gern mit nach Hause nehmen möchte, ist das für einen unschlagbaren Preis für die BIBCARD von 26 Euro (Abo: 22 Euro) im Jahr möglich.
Mehr Informationen finden sich auf der Internetseite der Zentralbibliothek.
Der Mitgliedsbeitrag für ein Jahr (BIBCARD) für alle Bibliotheken in Bremen beträgt ohne Abo 16 Euro (18 bis 27 Jahre und ab 65 Jahren) beziehungsweise 26 Euro (28 bis 64 Jahre). Bis zum 18. Geburtstag, für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende der Hochschule Bremen ist die BIBCARD kostenlos.
Hier sind die Interviews aus den weiteren Zweigstellen bei SPOT Bremen zu lesen:
Fotos in der Galerie: Stadtbibliothek Bremen, Tjark Worthmann