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E-Auto mit Ladekabel
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Berufe am Puls der Zeit: Hochvolttechnik in Kfz-Werkstätten

Auszubildende im Bereich Kfz-Mechatronik können den neuen Schwerpunkt E-Auto wählen

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, soziale Medien … unsere Lebenswirklichkeit verändert sich zurzeit in atemberaubendem Tempo. Das gilt auch für die Berufsbilder, die durch sich wandelnde Bedürfnisse und Anforderungen entstehen. In einer neuen Reihe stellt SPOT spannende, hochmoderne Ausbildungsberufe vor, die in Bremer Unternehmen und Berufsschulen angeboten werden. Der Kfz-Mechatroniker oder die Kfz-Mechatronikerin für Hochvolttechnik ist einer davon.


Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Nutzen wir selbststeuernde Wagen? Fahren Autos mit Strom oder mit Wasserstoff? Gibt es einen innovativen Brennstoff, der CO₂-neutral verbrennt? Tatsächlich ist das keine fantastische Zukunftsmusik mehr, sondern die Gegenwart. Und so, wie die Fahrzeuge sich weiterentwickeln, entwickelt sich auch der Ausbildungsberuf des Kfz-Mechatronikers beziehungsweise der Kfz-Mechatronikerin weiter. Denn nur zertifizierte Kfz-Fachleute für Hochvolttechnik dürfen an E-Autos Reparaturen vornehmen.

„Seit 2018 gibt es darum den Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik im Rahmen der dualen Ausbildung“, sagt Ralph Orléa. Er ist stellvertretender Obermeister der Bremer Kfz-Innung und Inhaber des Blumenthaler Autohauses Orléa. In dem modernen Unternehmen, das an der Lüssumer Straße ansässig ist, hat bereits der erste Azubi die Gesellenprüfung in dem neu geschaffenen Beruf in der Tasche.

geschäftsführer ralf orléa vom autohaus orléa
Ralph Orléa ist Geschäftsführer des Blumenthaler Autohauses Orléa, das mit der Berufsausbildung zur Hochvolttechnik neue Wege geht. In der Hand hält er die Probe eines E-Fuels. Kristina Bumb

Angehende Kfz-Fachleute für Hochvolttechnik lernen im Kompetenzzentrum der Handwerkskammer

Die duale Ausbildung dauert 3,5 Jahre, und die jungen Leute müssen teils ein noch höheres Lernpensum bewältigen als ihre Mechatroniker-Kolleginnen und -Kollegen. Denn die Ausbildungsinhalte zur Hochvolttechnik kommen zu dem Know-how, das zum herkömmlichen Verbrennermotor vermittelt wird, noch hinzu.

„So weit es möglich ist, werden die Azubis der Fachrichtung in einer Berufsschulklasse zusammengefasst. Auch die überbetrieblichen Lehrgänge, die sie im Kompetenzzentrum der Handwerkskammer ,Handwerk‘ machen, sind meistens anders“, schildert Ralph Orléa. Eine spektakuläre Projektarbeit, die die ersten Hochvolttechnik-Lehrlinge 2018 anpacken konnten, war der Umbau eines Sportwagens mit Verbrennungsmotor zu einem reinen Elektrofahrzeug. Die Innung hatte den Wagen zum Auftakt des Ausbildungsganges zur Verfügung gestellt.

Motivierte Nachwuchskräfte für System- und Hochvolttechnik haben gute Chancen

Die Lehrpläne für die ersten Azubis für System- und Hochvolttechnik, die 2018 in Bremen gestartet sind, mussten erst durch die Innung erarbeitet werden. Dafür kooperierten die engagierten Fachleute mit dem Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung IFAM in Bremen. Dort und auch bei einigen Fahrzeugherstellern wurden die Ausbilderinnen und Ausbilder geschult, um das Wissen in allen Bereichen kompetent vermitteln zu können.

Mittlerweile stehen die Ausbildungspläne, und das Engagement der Innungsbetriebe erstreckt sich eher auf die Gewinnung von motiviertem Nachwuchskräften. „Wir haben zwar generell keinen Nachwuchsmangel. Aber viele junge Leute, die sich für eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker oder zur -Mechatronikerin bewerben, wissen gar nicht, dass sie den Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik setzen können. Wir sprechen sie dann gezielt darauf an“, erzählt Kfz-Meister Ralph Orléa.

Nach 2035 werden Benziner und Diesel nicht mehr zugelassen

Dabei wird es in näherer Zukunft ohne diesen Beruf im Kfz-Bereich wohl nicht mehr gehen. Denn in der EU hat man sich auf ein Zulassungsverbot für neue Pkw mit Verbrennungsmotoren ab 2035 geeinigt. Bestandsfahrzeuge dürfen zwar weiterfahren, aber für die Autoindustrie ergibt es dann keinen Sinn mehr, neue Benziner oder Dieselmodelle in den europäischen Markt einzuführen. Das Ziel ist ganz klar: Die Emissionen aus dem Autoverkehr zu drosseln. Denn der Verkehrssektor macht rund ein Drittel des CO₂-Ausstoßes aus.

E-Fuels können das Berufsbild der Kfz-Fachleute beeinflussen

aufkleber für e-fuels beim pkw
Die Einführung von E-Fuels würde Auswirkungen auf das Berufsbild der Kfz-Fachleute haben. Mittelständische Energiewirtschaft e.V.

„Das E-Auto ist allerdings nicht das Ende der technischen Entwicklung“, schildert Ralph Olréa. Denn aktuell werden sogenannte E-Fuels als alternative Treibstoffe zu Benzin, Super und Diesel diskutiert. Diese synthetischen Kraftstoffe sollen klimaneutral funktionieren, indem bei der Herstellung CO₂ aus der Atmosphäre, aus Industrieemissionen oder aus nachhaltig erzeugter Biomasse genutzt wird. Mittels Strom wird der synthetische Sprit aus dem schädlichen Kohlendioxid und Wasser gewonnen. Bei der Verwendung im Pkw-Motor entstehen so zwar Abgase, aber durch den Kreislauf der CO₂-Nutzung fährt das Auto klimaneutral – immer vorausgesetzt, der bei der Produktion von E-Fuels genutzte Strom stammt selbst vollständig aus erneuerbaren Energien.

„Es wird spannend, wenn das EU-Parlament noch einmal über den Einsatz von E-Fuels entscheidet. Denn die synthetischen Kraftstoffe können in vorhandene Pkw getankt werden, ohne dass dafür eine aufwändige Umrüstung nötig wäre“, schildert Ralph Orléa. Die eventuelle Einführung dieser Fahrzeugtechnik hätte damit großen Einfluss auf die Bedeutung des Berufszweiges der Fachleute für Hochvolttechnik.

Fachleute für Hochvolttechnik reparieren auch Wasserstoffautos

Der nächste Schritt in der Entwicklung der Kfz-Technik ist der Wasserstoff-Antrieb. „Es handelt sich dabei – vereinfacht gesprochen – um E-Autos, die nicht extern mit Strom betankt werden. Stattdessen werden sie per Brennstoffzelle betrieben, in der Wasserstoff zu Strom umgewandelt wird“, erklärt der Kfz-Meister Ralph Orléa. Die Grundelemente des Elektromotors bleiben unterdessen erhalten. Darum werden es künftig die Fachleute für System- und Hochvolttechnik sein, die die Wasserstofffahrzeuge reparieren. „Opel ist gerade dabei, das erste wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeug in den Markt einzuführen“, erzählt der Experte. Vereinzelt fahren schon erste Pkw mit dem neuen Kraftstoff, und es gibt auch erste entsprechende Tankstellen.

In Zukunft mit 3-D-Brillen in der Werkstatt?

Fachmann fuer hochvolttechnik mit 3d-brille
Kfz-Fachleute für Hochvolttechnik nutzen vielleicht zukünftig 3-D-Brillen für Reparaturen. Pixabay

„Der Beruf des Kfz-Mechatronikers und der -mechatronikerin wird nicht aussterben, so wie das Auto und die individuelle Mobilität nicht aussterben werden. Das Berufsbild verändert sich allerdings zurzeit stark“, schildert der stellvertretende Obermeister der Bremer Kfz-Innung. Er blickt gespannt und mit Freude auf die künftigen Möglichkeiten. „Künstliche Intelligenz wird sicher nicht nur in den Fahrzeugen, sondern auch in den Servicewerkstätten eine große Rolle spielen“, sagt er. „Reparaturen könnten zum Beispiel mithilfe von 3-D-Brillen durchgeführt werden. Die Brille erkennt das einzelne Bauteil und spielt Informationen aus einer Datenbank ins Display ein, sodass der Mechatroniker beziehungsweise die Mechatronikerin alle nötigen Informationen dazu erhält.“

Der Blumenthaler Fachmann kann sich auch die Einführung eines dualen Studiums im Kfz-Sektor vorstellen. Denn die digitale Fahrzeugtechnik mit Fahrassistenzsystemen, Vorrichtungen zum autonomen Fahren und zu programmierender Software wird immer komplexer. „Im Bereich Sanitär, Heizung, Klima wurden solche Studienmöglichkeiten zum Beispiel für Energie- und Gebäudetechnik bereits ins Leben gerufen. Dort verbindet sich die klassische Handwerksausbildung mit dem Know-how eines Ingenieursstudiums“, beschreibt Ralph Orléa. Die Einführung des Ausbildungsschwerpunkts System- und Hochvolttechnik ist für die Kfz-Branche also ein wichtiger Anfang – aber nur ein Anfang.

Digitaler Bankkaufmann
Berufe am Puls der Zeit: Digitale Bankkaufleute

Den Auftakt der Reihe macht der erste Azubi im Ausbildungsgang Digitale Bankkaufleute bei der Sparkasse Bremen.

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Von Kristina Bumb

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