
Bremen historisch: Köksch un Qualm
Burgdammer Mitmachmuseum taucht in das Leben eines Tabakfabrikanten ein
„Köksch un Qualm“ stammt aus dem Plattdeutschen und heißt übersetzt „Köchin und Rauch“. Und darum geht es bei dem Burgdammer Mitmachmuseum mit diesem klangvollen Namen: Es stellt einerseits die historische Hauswirtschaft und andererseits die Nordbremer Geschichte der Zigarrenherstellung dar. Das Besondere: Geschichte wird in diesem Haus lebendig. Kostümierte Darstellerinnen und Darsteller – Langzeitarbeitslose in einer sozialen Maßnahme – spielen Szenen aus dem Leben von anno dazumal vor. Immer wieder sind auch die Besucherinnen und Besucher selbst eingeladen, aktiv zu werden.
Tabakstadt Bremen – eine spannende Geschichte

Bremen hat nicht nur eine Historie als Kaffeestadt, sondern auch als Stadt des Zigarrenrauchs. Der Bremer Kaufmann Nicolaus Wilkens eröffnete 1826 eine Zigarrenfabrik in Burgdamm. Der Ortsteil wurde in der Folge berühmt für seine Zigarrenherstellung. Die Rauchwaren aus dem Hause „Wilkens Nachfolger“ wurden im 19. Jahrhundert in die ganze Welt exportiert. Später zog das Unternehmen unter dem Namen Brinkmann nach Woltmershausen und avancierte zu Europas größtem Tabak-Verarbeiter. Im 20. Jahrhundert feierte es mit den Marken „Peer Export“ und „Lord Extra“ weltweite Erfolge.
Ein Gebäude aus der großen Nordbremer Zeit, die Burgdammer Cigarrenmanufaktur, ist bis heute erhalten geblieben. Der Rotklinkerbau mit seinen Rundbogenfenstern und Mauerverzierungen steht stolz und prachtvoll an der Stader Landstraße 46. Im unteren Geschoss ist das kleine Mitmachmuseum Köksch un Qualm ansässig. Die oberen Geschosse belegt ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt der Bremer Heimstiftung.
Köksch un Qualm zeigt Alltagsleben von anno dazumal
„In unserem Museum geht es viel um den späteren Fabrikinhaber Wilhelm Richtering, der um die Jahrhundertwende lebte und wirkte“, sagt Kulturwissenschaftler Andreas Plundrich, der die Einrichtung leitet. Ein weiterer Teil des Museums Köksch un Qualm thematisiert die Zigarrenherstellung. Die Besucherinnen und Besucher staunen in diesem Bereich über Werkzeuge, Pressformen, bunte Banderolen, Kisten und Kästen. Doch damit nicht genug. Denn es geht auch um das Alltagsleben der Fabrikantenfamilie Richtering, in das man im Museum eintauchen kann.

Bürgerinnen und Bürger aus dem Bremer Norden haben dafür authentische Stücke aus alten Zeiten gespendet – vom Bügeleisen, das mit Kohle befüllt wurde, über eine alte Eistruhe, für die der Eismann jede Woche einen neuen Eisblock brachte, bis hin zur Jahrzehnte alten Zierstickerei. Hunderte solcher Ausstellungsstücke sind in einem großen Raum liebevoll angeordnet. Mittels Trennwänden entstehen so Waschküche, Kleiderkammer, Küche und eine gute Stube. „Angefangen sind wir mit sehr wenigen geliehenen oder geschenkten Einrichtungsgegenständen. Dann haben die Anwohnerinnen und Anwohner ihre Spenden zu uns gebracht. Heute haben wir sogar einzelne original Stücke aus dem Hause Richtering“, erzählt Andreas Plundrich.
Szenische Führung wie im Geschichtenhaus
Dabei ist das Köksch un Qualm nicht einfach nur ein kleines, feines, heimatgeschichtliches Museum mit interessanten Exponaten. Denn es erweckt die Historie buchstäblich zum Leben. Langzeitarbeitlose schlüpfen unter Anleitung einer Theaterpädagogin in die Rollen des reichen Tabakfabrikanten und seiner Familie, der Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter sowie der Hausangestellten. Die kostümierten Darstellerinnen und Darsteller spielen bei Veranstaltungen und im Rahmen szenischer Führung das Leben von anno dazumal vor. Die Gäste erleben dann zu Beispiel, wie seinerzeit Wäsche gewaschen und gekocht wurde oder wie Zigarren gerollt und verkauft wurden.

Der Beschäftigungsträger „bras e.V. – arbeiten für bremen“ hat das Köksch un Qualm 2008 ins Leben gerufen. Der Träger bietet berufliche Weiterbildung sowie Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung für arbeitslose Menschen an. Bekannte Projekte der bras sind die Geschichtenhäuser im Schnoor und am Vegesacker Museumshaven, die Instandsetzung der Kogge „Roland von Bremen“, die Stadtteilfarm Huchting und viele mehr. „Die Langzeitarbeitslosen kümmern sich bei uns um alles. Sie organisieren die Abläufe und sorgen für die Bewirtung der Gäste. Vor allem aber die schauspielerische Arbeit gibt den Langzeitarbeitlosen viel“, sagt Andreas Plundrich. „Sie lernen, sich mit breiter Brust vor die Gäste hinzustellen und zu sprechen. Dadurch wächst das Selbstbewusstsein. Sie üben nicht nur strukturierte Tagesabläufe ein, sondern sie trauen sich auch wieder mehr zu. Wir haben schon viele Menschen bei uns gehabt, die aus dieser Maßnahme wieder zurück in den ersten Arbeitsmarkt gegangen sind.“
Fast jeden Donnerstag eine Veranstaltung im Köksch un Qualm
Jeden Donnerstag von 14 bis 18 Uhr ist das Museum für jedermann geöffnet. Ab 15 Uhr findet meist eine Veranstaltung in den Räumlichkeiten statt. Das bunte Veranstaltungsprogramm enthält zum Beispiel Vorträge, DIY-Angebote, Kochkurse mit Bremer Traditionsrezepten, Konzerte und szenische Lesungen mit den Darstellerinnen und Darstellern des bras. Das Publikum nimmt dabei an den Tischen und Stühlen in der guten Stube der Familie Richtering Platz, um Vorträgen und Co zu lauschen. Der Eintritt für das Donnerstagsprogramm beträgt lediglich 3 Euro. Wer möchte, kann frische Waffeln oder hausgemachten Kuchen ordern. Jeden ersten Mittwoch im Monat lädt das Köksch un Qualm außerdem zum Frühstück ein, dem auf Wunsch eine szenische Führung folgt.
Für Gruppen, private oder Firmenfeiern sowie für Schulklassen öffnet das Bremer Mitmachmuseum Köksch un Qualm nach Vereinbarung. „Wir sind ein außerschulischer Lernort. Kinder im Grundschulalter können bei uns das Leben und Hauswirtschaften um die Jahrhundertwende auf spielerische Weise kennenlernen. Wir laden sie zum Beispiel zum Waschtag ein, wo sie ein mitgebrachtes T-Shirt selbst wie damals säubern können. Oder sie machen selbst Sahne und Butter“, schildert Andreas Plundrich. Dass die Kinder von den Aktivitäten hellauf begeistert sind, glaubt man ihm gerne. Bei verschiedenen Veranstaltungen können auch die erwachsenen Gäste selbst Hand anlegen und ihr Geschick an dem einen oder anderen hauswirtschaftlichen Ausstellungsstück erproben. Es ist also kein Wunder, dass das sehenswerte, kleine Museum so beliebt ist und aktuell sein 15-jähriges Bestehen feiert.
Das Mitmachmuseum Köksch un Qualm an der Stader Landstraße 46 in Burgdamm ist jeden Donnerstag von 14 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung geöffnet und bietet ein buntes Veranstaltungsprogramm. Weitere aktuelle Informationen finden Interessierte auf der Website des Köksch un Qualm.