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Köksch un Qualm zeigt Zigarren und Banderolen
Kristina Bumb

Bremen historisch: Köksch un Qualm

Burgdammer Mitmachmuseum tauchte in das Leben eines Tabakfabrikanten ein

Das Burgdammer Mitmachmuseum Köksch un Qualm war vielen ein Begriff als Ort, an dem Gechichte lebendig wurde. Im Februar 2024 hat es seinen Betrieb eingestellt. SPOT blickt zurück auf die spannende Zeit der Nordbremer Kulturstätte.

„Köksch un Qualm“ stammt aus dem Plattdeutschen und heißt übersetzt „Köchin und Rauch“. Und darum ging es bei dem Burgdammer Mitmachmuseum mit diesem klangvollen Namen: Es stellte einerseits die historische Hauswirtschaft und andererseits die Nordbremer Geschichte der Zigarrenherstellung dar. Das Besondere: Kostümierte Darstellerinnen und Darsteller – Langzeitarbeitslose in einer sozialen Maßnahme – spielten Szenen aus dem Leben von anno dazumal vor. Immer wieder waren auch die Besucherinnen und Besucher selbst eingeladen, aktiv zu werden.

Tabakstadt Bremen – eine spannende Geschichte

Burgdammer Zigarrenfabrik von außen
An der Stader Landstraße befindet sich das eindrucksvolle Gebäude der alten Cigarrenmanufaktur. Kristina Bumb

Bremen hat nicht nur eine Historie als Kaffeestadt, sondern auch als Stadt des Zigarrenrauchs. Der Bremer Kaufmann Nicolaus Wilkens eröffnete 1826 eine Zigarrenfabrik in Burgdamm. Der Ortsteil wurde in der Folge berühmt für seine Zigarrenherstellung. Die Rauchwaren aus dem Hause „Wilkens Nachfolger“ wurden im 19. Jahrhundert in die ganze Welt exportiert. Später zog das Unternehmen unter dem Namen Brinkmann nach Woltmershausen und avancierte zu Europas größtem Tabak-Verarbeiter. Im 20. Jahrhundert feierte es mit den Marken „Peer Export“ und „Lord Extra“ weltweite Erfolge.

Ein Gebäude aus der großen Nordbremer Zeit, die Burgdammer Cigarrenmanufaktur, ist bis heute erhalten geblieben. Der Rotklinkerbau mit seinen Rundbogenfenstern und Mauerverzierungen steht stolz und prachtvoll an der Stader Landstraße 46. Im unteren Geschoss war das kleine Mitmachmuseum Köksch un Qualm ansässig. Die oberen Geschosse belegt ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt der Bremer Heimstiftung.

Köksch un Qualm zeigte Alltagsleben von anno dazumal

„In unserem Museum geht es viel um den späteren Fabrikinhaber Wilhelm Richtering, der um die Jahrhundertwende lebte und wirkte“, sagte Kulturwissenschaftler Andreas Plundrich, der die Einrichtung leitete, in einem Interview mit SPOT. Ein weiterer Teil des Museums Köksch un Qualm thematisierte die Zigarrenherstellung. Die Besucherinnen und Besucher staunten in diesem Bereich über Werkzeuge, Pressformen, bunte Banderolen, Kisten und Kästen. Außerdem ging es um das Alltagsleben der Fabrikantenfamilie Richtering, in das man im Museum eintauchen konnte.

Andreas Plundrich zeigt die Museumsküche
Kulturwissenschaftler Andreas Plundrich leitete das Mitmachmuseum. Kristina Bumb

Bürgerinnen und Bürger aus dem Bremer Norden hatten dafür authentische Stücke aus alten Zeiten gespendet – vom Bügeleisen, das mit Kohle befüllt wurde, über  eine alte Eistruhe, für die der Eismann jede Woche einen neuen Eisblock brachte, bis hin zur Jahrzehnte alten Zierstickerei. Hunderte solcher Ausstellungsstücke waren in einem großen Raum liebevoll angeordnet. Mittels Trennwänden entstanden so Waschküche, Kleiderkammer, Küche und eine gute Stube. „Angefangen sind wir mit sehr wenigen geliehenen oder geschenkten Einrichtungsgegenständen. Dann haben die Anwohnerinnen und Anwohner ihre Spenden zu uns gebracht. Heute haben wir sogar einzelne original Stücke aus dem Hause Richtering“, erzählte Andreas Plundrich.

Szenische Führung wie im Geschichtenhaus

Dabei war das Köksch un Qualm nicht einfach nur ein kleines, feines, heimatgeschichtliches Museum mit interessanten Exponaten. Denn es erweckte die Historie buchstäblich zum Leben. Langzeitarbeitlose schlüpften unter Anleitung einer Theaterpädagogin in die Rollen des reichen Tabakfabrikanten und seiner Familie, der Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter sowie der Hausangestellten. Die kostümierten Darstellerinnen und Darsteller spielten bei Veranstaltungen und im Rahmen szenischer Führung das Leben von anno dazumal vor. Die Gäste erlebten dann zu Beispiel, wie seinerzeit Wäsche gewaschen und gekocht wurde oder wie Zigarren gerollt und verkauft wurden.

Historisch eingerichtete Küche im Museum
Die Küche mit dem alten Eisschrank ist ein Highlight im Museum. Kristina Bumb

Der Beschäftigungsträger „bras e.V. – arbeiten für bremen“ hatte das Köksch un Qualm 2008 ins Leben gerufen. Der Träger bietet berufliche Weiterbildung sowie Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung für arbeitslose Menschen an. Bekannte Projekte der bras sind die Geschichtenhäuser im Schnoor und am Vegesacker Museumshaven, die Instandsetzung der Kogge „Roland von Bremen“, die Stadtteilfarm Huchting und viele mehr. „Die Langzeitarbeitslosen kümmern sich bei uns um alles. Sie organisieren die Abläufe und sorgen für die Bewirtung der Gäste. Vor allem aber die schauspielerische Arbeit gibt den Langzeitarbeitlosen viel“, sagte Andreas Plundrich. „Sie lernen, sich mit breiter Brust vor die Gäste hinzustellen und zu sprechen. Dadurch wächst das Selbstbewusstsein. Sie üben nicht nur strukturierte Tagesabläufe ein, sondern sie trauen sich auch wieder mehr zu. Wir haben schon viele Menschen bei uns gehabt, die aus dieser Maßnahme wieder zurück in den ersten Arbeitsmarkt gegangen sind.“

Fast jeden Donnerstag gab es eine Veranstaltung im Köksch un Qualm

Jeden Donnerstag von 14 bis 18 Uhr war das Museum für jedermann geöffnet. Ab 15 Uhr fand meist eine Veranstaltung in den Räumlichkeiten statt. Das bunte Veranstaltungsprogramm enthielt zum Beispiel Vorträge, DIY-Angebote, Kochkurse mit Bremer Traditionsrezepten, Konzerte und szenische Lesungen mit den Darstellerinnen und Darstellern des bras. Das Publikum nahm dabei an den Tischen und Stühlen in der guten Stube der Familie Richtering Platz, um Vorträgen und Co zu lauschen. Der Eintritt für das Donnerstagsprogramm betrug lediglich 3 Euro. Wer wollte, konnte frische Waffeln oder hausgemachten Kuchen ordern. Jeden ersten Mittwoch im Monat lud das Köksch un Qualm außerdem zum Frühstück ein, dem auf Wunsch eine szenische Führung folgte.

Für Gruppen, private oder Firmenfeiern sowie für Schulklassen öffnete das Bremer Mitmachmuseum Köksch un Qualm nach Vereinbarung. „Wir sind ein außerschulischer Lernort. Kinder im Grundschulalter können bei uns das Leben und Hauswirtschaften um die Jahrhundertwende auf spielerische Weise kennenlernen. Wir laden sie zum Beispiel zum Waschtag ein, wo sie ein mitgebrachtes T-Shirt selbst wie damals säubern können. Oder sie machen selbst Sahne und Butter“, schilderte Andreas Plundrich. Dass die Kinder von den Aktivitäten hellauf begeistert waren, glaubt man ihm gerne. Bei verschiedenen Veranstaltungen konnten auch die erwachsenen Gäste selbst Hand anlegen und ihr Geschick an dem einen oder anderen hauswirtschaftlichen Ausstellungsstück erproben.

Köksch un Qualm zeigt Zigarren und Banderolen
Ein Schaukasten des Köksch un Qualm zeigt alte Zigarren-Banderolen.
Virtrine mit Zigarrenkisten im Köksch un Qualm
Zigarrenkisten, Werkzeuge zur Herstellung der Rauchwaren und anderes mehr ist zu sehen.
Exponate aus der Zigarrenfabrik
Ausgewählte Exponate aus der Zeit der Zigarrenherstellung bei Wilkens Nachfolger.
Alte Wäscherei im Köksch un Qualm
Alte Haushaltsgeräte machen deutlich, wie mühsam früher Wäsche gewaschen wurde.
Alte Bügeleisen und Teppichklopfer
Die Bügeleisen wurden damals noch mit heißer Kohle befüllt.
Wäschezimmer Köksch un Qualm
Exakt auf Stoß wurde die saubere Wäsche anno dazumal gestapelt.
Küche mit alten Küchengeräten
Nordbremerinnen und -bremer haben dem Museum historische Küchengeräte gespendet.
Alter Herd und Backofen in historischer Küche des Köksch un Qualm
Herd und Backofen sind eindrucksvolle Zeugnisse der guten alten Zeit.
Aufbewahrungsdosen im Regal
Historische Utensilien füllen Regale und Schränke der Küche des Köksch un Qualm.
"Bremen historisch" auf SPOT
"Bremen historisch" auf SPOT

In unserer Serie "Bremen historisch" forschen wir tief in den Geschichtsbüchern der Stadtteile Bremens. Engagierte Menschen in der ganzen Hansestadt sorgen an vielen Orten mit ihren Archiven und intensiver ehrenamtlicher Arbeit dafür, dass wichtige lokale Geschehnisse für die Zukunft erhalten bleiben.

Alle Beiträge der Reihe "Bremen historisch"
Autorenbild Kristina Bumb

Von Kristina Bumb

Für die Leserinnen und Leser außergewöhnliche Orte erkunden und interessante Menschen kennenlernen – das macht den Beruf der rasenden Reporterin so spannend.

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