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Das Foto zeigt ein rot geklinkertes Treppenhaus und ein Schild mit der Aufschrift Weißer Ring
Kristina Bumb

Vereine in Bremen: Weisser Ring Bremen

Hochprofessionelle Ehrenamtliche betreuen Opfer, Zeuginnen und Zeugen von Verbrechen

Nach einem Verbrechen steht nicht selten die Täterin oder der Täter im Mittelpunkt. Man ringt um Verständnis für das Zustandekommen der Tat und überlegt, wie der oder die Verurteilte nach Verbüßen der Strafe den Weg zurück in die Gesellschaft findet. Doch wer kümmert sich um die Opfer, die – je nach Schwere der Tat – ihr Leben lang Opfer bleiben und unter den Folgen des Verbrechens leiden? Der Gedanke an Unterstützung für die Leidtragenden führte 1976 zur Gründung des gemeinnützigen Vereins Weisser Ring.

Beim Landesverband Weisser Ring Bremen betreuen 60 Ehrenamtliche auf professionelle Weise Opfer, Zeuginnen und Zeugen von Verbrechen. Sie helfen, wenn es vor Gericht geht, vermitteln die Leidtragenden an psychologische Hilfsstellen, gewähren finanzielle Hilfen und vieles mehr. Um diese wertvolle Arbeit leisten zu können, durchlaufen die Aktiven ein intensives Schulungsprogramm.

Weisser Ring Bremen ist kleinster Landesverband

Dass das Thema Verbrechensopfer wichtig und die Nachfrage groß ist, wird schon anhand einiger Zahlen deutlich. Der Bundesverband Weisser Ring zählt mittlerweile circa 43.000 Vereinsmitglieder mit 2800 aktiven Ehrenamtlichen und 120 hauptamtlich Mitarbeitenden. 18 Landesverbände (jeweils zwei in den Flächenländern Bayern und Nordrhein-Westphalen) gehören zu dem gemeinnützigen Verein, der in Mainz seine Zentrale unterhält. Der Landesverband Weisser Ring Bremen ist der kleinste – passend zu Bevölkerungszahl des Stadtstaates.

Hans-Jürgen Zacharias, Landesvorsitzender Weißer Ring Bremen, und Jürgen Osmers, Öffentlichkeitsarbeit, stehen vor einem Plakate mit der Aufschrift: Kriminalprävention ist der beste Opferschutz
Hans-Jürgen Zacharias (links), Landesvorsitzender Weißer Ring Bremen, wird in der Vorstandsarbeit vom ehemaligen Leiter des Landeskriminalamtes Bremen, Jürgen Osmers, unterstützt. Kristina Bumb

„Wir haben circa 400 Mitglieder, davon rund 60 ehrenamtlich Mitarbeitende“, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes, Hans-Jürgen Zacharias. Sechs Außenstellen gehören zum Weissen Ring in der Hansestadt dazu, jeweils mit eigener Leitung. Bremen I, Bremen II und Bremerhaven befassen sich hauptsächlich mit Opferhilfe. Die Ehrenamtlichen aus Bremen I kümmern sich dabei um Anfragen aus Bremen-Mitte, -Süd und -Ost. Die Außenstelle Bremen II ist für Bremen-West und -Nord zuständig. In Bremerhaven gibt es eine weitere Außenstelle für die Opferhilfe.

Zwei anders ausgerichtete Außenstellen sind die Zeuginnen- und Zeugenbetreuungszimmer am Landgericht Bremen und Amtsgericht Bremerhaven. Eine eigene Außenstelle bildet die Junge Gruppe Bremen des Weissen Rings. Der Landesverband besitzt außerdem ein festes Büro an der Sögestraße in der Bremer Innenstadt, wo der Vorstand und die zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen tätig sind.

Weisser Ring Bremen: Ehrenamtliche Opferhilfe

Wer Opfer einer Straftat wurde oder ein Verbrechen hat ansehen müssen, steht vor vielen Herausforderungen. Das Erlebnis ist emotional belastend, manchmal schwer traumatisierend. Man muss vor der Polizei aussagen und steht vor einem Gerichtsprozess. Da ist es gut, wenn man qualifizierte, sensible Hilfe erhält und nicht allein vor dem Berg an Schwierigkeiten steht. Die Ehrenamtlichen vom Weissen Ring Bremen bieten genau solche Unterstützung an.

Wer ein Verbrechen erlebt oder bezeugt hat, kann sich telefonisch oder per E-Mail an die örtliche zuständige Außenstelle wenden. Die erfahrenen Mitarbeitenden des Weissen Rings loten dann aus, welche Hilfe die richtige ist. „Wir haben einen Überblick über die gesamten Angebote im Opferhilfebereich und geben dazu Beratung. Außerdem haben wir eigene Hilfsangebote, zum Teil auch finanzieller Art, die schnell und unkompliziert in Anspruch genommen werden können“, erklärt Jürgens Osmers. Der ehemalige Leiter des Landeskriminalamtes Bremen ist seit seiner Pensionierung im Vorstand des Weissen Rings Bremen aktiv und dort vor allem für Öffentlichkeitsarbeit sowie Kriminalprävention zuständig.

„Zusätzlich beraten wir mit dem Fachwissen unserer Organisation und der Erfahrung aus vielen Fällen der Opferhilfe zur Inanspruchnahme anwaltlicher Vertretung und psychologischer Hilfe. Beides machen wir nicht selbst, aber wir vermitteln weiter, stellen dafür Schecks aus und geben Tipps, wohin sich die Betroffenen wenden können“, sagt Jürgen Osmers.

Mit emotionaler Zuwendung und Empathie, aber auch mit der nötigen Sachlichkeit wird nach einer passgenauen Hilfe gesucht. „Das wird gern und dankbar angenommen“, sagt Jürgen Osmers. Sind die Verbrechensopfer Frauen, ist stets auch eine weibliche Ehrenamtlerin mit im Team. „Wir arbeiten generell nach dem Sechs-Augen-Prinzip. Es sind immer zwei Helfende involviert, damit die Hilfesuchenden keine Angst haben müssen, erneut jemandem ausgeliefert zu sein.“

Finanzielle Hilfe für Opfer von Verbrechen

Die finanzielle Hilfe, die der Landesverband Weisser Ring Bremen bietet, ist ein wichtiger Baustein der Opferhilfe. Dazu gehören Schecks für anwaltliche oder psychotherapeutische Beratung, aber auch eine Soforthilfe. „Wenn sich jemand bei uns meldet und zum Beispiel sagt, ,ich wurde überfallen und komme nicht mehr ins Haus‘, können wir ihm den Schlüsseldienst bezahlen“, so Hans-Jürgen Zacharias. Manches Mal geht es auch um die Übernahme von Fahrtkosten zur Gerichtsverhandlung, die Ermöglichung von Erholungsaufenthalten, speziell notwendiger therapeutischer Mittel oder den Ersatz für Diebesgut, das für die oder den Betroffenen unverzichtbar ist, aber aus eigenen Mitteln nicht wiederbeschafft werden kann. 2022 hat der Weisse Ring Bremen insgesamt 97.000 Euro Hilfsgelder ausgeschüttet, der Bundesverband fast 4,93 Millionen Euro. Die finanzielle Unterstützung gewährt der Weisse Ring in der Regel sogar, wenn keine Anzeige bei der Polizei erstattet worden ist. So ist die Hemmschwelle niedriger, die Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Mittel für die Ausschüttungen und die eigene Arbeit gewinnt der Weissen Ring aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Erbschaften und Zuwendungen von Bußgeldern aus Gerichtsurteilen. Der Jahresbericht des Weissen Rings beschreibt im Sinne der größtmöglichen Transparenz, in welche Bereiche die Gelder fließen, und erläutert viel Wissenswertes aus der täglichen Arbeit.

Zeuginnen- und Zeugenbetreuungszimmer ist einmalig in Deutschland

Das Zeugenbetreuungszimmer vom Landesverband Weißer Ring Bremen ist mit gemütlichen Sitzgelegenheiten eingerichtet
Blick in das Betreuungszimmer am Amtsgericht Bremerhaven. Foto: Weißer Ring Bremen

„Die Zeugenbetreuungszimmer sind ein Alleinstellungsmerkmal Bremens. Wir haben das Projekt von einer anderen Initiative übernommen und bieten es jetzt schon mehr als 20 Jahre an“, sagt der Bremer Vereinsvorsitzende. Mitglieder vom Weissen Ring Bremen kümmern sich in den Räumlichkeiten, die direkt bei Gericht angesiedelt sind, um Zeuginnen und Zeugen von Verbrechen, die in einem Gerichtsprozess aussagen müssen. Vor allem klären die Ehrenamtlichen die Zeuginnen und Zeugen über den Ablauf der Verhandlung auf. Außerdem schützt die separate Räumlichkeit diese davor, mit Angeklagten oder deren juristischer Vertretung zu stark in Kontakt zu kommen. „Die Betroffenen sind ruhiger und belastbarer, wenn sie ihre Aussage im Prozess machen“, beschreibt Hans-Jürgen Zacharias den positiven Effekt.

Die wertvolle Arbeit der Ehrenamtlichen ist bei den Gerichten anerkannt und angesehen. Alle Zeuginnen und Zeugen einer Straftat im Land Bremen erhalten durch ein Schriftstück eine Information darüber, dass sie das Betreuungszimmer nutzen können. „Zwölf Ehrenamtliche teilen sich von montags bis freitags die Schichten auf. Wir sind dankbar, dass wir das mit so einer dünnen Personaldichte über das Jahr stemmen können“, ergänzt Hans-Jürgen Zacharias.

Kriminalprävention: Dritter Baustein der Arbeit vom Weissen Ring Bremen

Aufklärungsarbeit, um Verbrechen schon im Vorfeld zu verhindern, ist ein wichtiger Teil der ehrenamtlichen Tätigkeit. Der Landesverband Weisser Ring Bremen arbeitet dafür oft mit der Präventionsstelle der Polizei Bremen oder anderen geeigneten Einrichtungen zusammen. „Ein Beispiel aus dem Jahr 2023 war unsere Aufklärungsaktion zu Zivilcourage in der Bremer Straßenbahn. Dabei haben wir die Fahrgäste dazu beraten, wie sie anderen in heiklen Situationen in der Straßenbahn helfen können, ohne selbst unnötig in Gefahr zu geraten“, erzählt Jürgen Osmers.

Junge Gruppe: Der Nachwuchs im Landesverband

Ehrenamtlich engagierte Menschen sind oft schon etwas älter oder sogar im Rentenalter. Das gilt für den Weissen Ring genauso wie für viele andere Verein. Die Nachwuchsarbeit ist darum ein besonderes Anliegen des Weissen Rings Bremen. Rund zehn junge Erwachsene sind in der Außenstelle Junge Gruppe aktiv. Einige sind Studierende, die im Rahmen ihrer Ausbildung Kontakt mit der Organisation bekamen und anschließend als Ehrenamtliche dabei blieben. „Wir freuen uns sehr über dieses Engagement“, lobt Hans-Jürgen Zacharias.

Die Aufgaben der Jungen Gruppe sind vielfältig. Häufig ist sie im Bereich Kriminalprävention aktiv. So engagierte sie sich zum Beispiel für Obdachlose in Bremen, die in den vergangenen Jahren verstärkt Opfer von Diebstählen wurden. „In Zusammenarbeit mit der Inneren Mission Bremen und den Segelmachern von der Maritimen Manufaktur Bremerhaven entwarfen die jungen Leute eine spezielle Aufbewahrungsmöglichkeit für Wertgegenstände und geben diese Brustbeutel nun an Obdachlose weiter. „Die Junge Gruppe war auch in Diskotheken und Clubs unterwegs, um über die gefährliche Beimischung von K.-o.-Tropfen in Getränke zu informieren“, so der Vorsitzende des Landesverbandes.

Lobbyarbeit für die Belange der Opfer

Politische Lobbyarbeit für Opferbelange gehört ebenfalls zu den zentralen Tätigkeiten des Weissen Rings in Bremen und auf Bundesebene. Der Weisse Ring bemüht sich, den Belangen von Verbrechensopfern in der Politik Gehör zu verschaffen. Die Reformierung des Opferentschädigungsgesetzes ist ein Beispiel für die Bedeutung dieser politischen Einflussnahme. „Viele Forderungen unseres Bundesverbandes und anderer Opferschutzeinrichtungen sind dort eingeflossen“, freut sich Hans-Jürgen Zacharias.

Das soziale Entschädigungsgesetz erfuhr Anfang 2023 eine Überarbeitung und erfasst nun nicht mehr nur Opfer physischer Gewalt, sondern auch auf schwere Fälle psychischer Gewalt. Psychische Gewalt bezieht sich dabei auf Androhung von körperlicher Gewalt, Stalking, extremes Mobbing und ähnliche Straftatbestände. Auch Gewalttaten mit dem Fahrzeug fallen nun unter das Opferentschädigungsgesetz. „Bis zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz hat man diese, bezogen auf staatliche Entschädigungen,  behördlich eher als Verkehrsunfälle eingeordnet“, so Jürgen Osmers. Ein Terrorist steuerte damals einen Lkw in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. 13 Menschen starben, dutzende wurden verletzt.

Das Opferentschädgungsgesetz ist derzeit noch recht unbekannt. Dabei kann es Opfern, die nach einer Traumatisierung nicht selten viele Jahre oder ihr ganzes Leben lang auf Unterstützung angewiesen sind, wichtige finanzielle Hilfe bieten. Doch die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber den Behörden ist manchmal so schwierig, dass die Opfer sogar retraumatisiert werden. „Wir kämpfen dafür, dass alle, die Anspruch auf Entschädigung haben, auch einen Ausgleich bekommen“, sagt Hans-Jürgen Zacharias.

Beim Weissen Ring Bremen Mitglied werden

Yara Koch ist eine von zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen vom Weißen Ring Bremen, Sie lächelt in die Kamera
Yara Koch ist eine von zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen vom Weissen Ring Bremen. Kristina Bumb

Neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind dem Weissen Ring Bremen stets herzlich willkommen – ob aktives oder  passives Mitglied. Der Mindest-Monatsbeitrag für Einzelpersonen beträgt derzeit lediglich 2,50 Euro. In Bremen sind die Helfenden dabei ganz gemischter beruflicher Herkunft. Einige sind ehemalige Juristinnen und Juristen oder Polizeibeamte und -beamtinnen, andere stammen aber auch aus Bereichen der freien Wirtschaft. Wer im Zeugenbetreuungszimmer tätig sein möchte, muss im Monat rund zwölf Stunden Zeit für das Ehrenamt einplanen.

Wer aktiv mitarbeiten will, durchläuft dabei diverse Schulungen. Da die Opfer- und Zeugenbetreuung ein sachlich und emotional anspruchsvolles Aufgabenfeld ist, prüft der Weisse Ring zunächst in einem persönlichen Gespräch, ob die passende Basis für eine aktive Mitarbeit vorhanden ist. Kandidatinnen und Kandidaten sollten empathisch sein und die Bereitschaft zur Tätigkeit in einem durch soziale, kulturelle, religiöse oder weltanschauliche Vielfalt geprägten Umfeld mitbringen. „Vielfalt ist unser tägliches Geschäft“, sagt Hans-Jürgen Zacharias. Außerdem müssen sie ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis vorweisen und ein kurzes Einführungsseminar absolvieren.

Geeignete Kandidatinnen und Kandidaten hospitieren anschließend bei erfahrenen Mitarbeitenden und nehmen an einem zweitägigen Grundseminar teil. Sie sind auch dazu verpflichtet, nach sechs Monaten bis zwei Jahren ihr Wissen ein einem Aufbauseminar aufzufrischen. Durch stetige Weiterbildung und Spezialisierung halten die Ehrenamtlichen ihr professionelles Niveau. Der Weisse Ring bietet dafür ein Seminarprogramm an, das viele Themen abdeckt, etwa das Opferentschädigungsgesetz, interkulturelle Gesprächsführung, Opferbetreuung in Großlagen wie bei Terroranschlägen. Dazu kommen noch kollegiale Fallberatungstreffen und Teamtreffen. Außerdem können Hilfsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden, um eine Traumatisierung der Helfenden selbst durch stark belastende Situationen zu vermeiden.


Kontakt / Hilfe für Opfer von Verbrechen

Weitere Informationen zur ehrenamtlichen Arbeit und Mitgliedschaft finden Interessierte auf der Website des Weissen Rings Bremen.

Opfer sowie Zeuginnen und Zeugen von Verbrechen können sich an das Landesbüro Bremen unter der Nummer 04 21 / 32 32 11, Fax 0421 / 32 41 80 oder per E-Mail an bremen@weisser-ring.de wenden.

Täglich von 7 bis 22 Uhr steht zudem kostenlos und anonym das Opfertelefon des Weissen Ring Bundesverbandes unter der Rufnummer 116 006 zur Verfügung. Zudem besteht ein Webangebot mit einer Online-Beratung.

Dieser Beitrag ist Teil unseres Themenspecials „Vereine in Bremen“. Sind Sie interessiert an mehr Artikeln dieser Art? Schauen Sie sich unsere Sammlung von Beiträgen rund ums Thema an.

zum Themenspecial „Vereine in Bremen“

Autorenbild Kristina Bumb

Von Kristina Bumb

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