Seniorpartner in School: Ein Herz für Kinder
Ältere Menschen schenken Schülerinnen und Schülern Zeit für ihre Sorgen und Nöte
Ein Konflikt in einer Grundschulklasse ist normalerweise schnell vergessen. Hin und wieder gibt es aber Ausnahmefälle, die besonders zu behandeln sind. In solchen Situationen kommen die Seniorpartner in School (SiS) zum Einsatz. Diese ehrenamtlichen Mediatorinnen und Mediatoren, meistens Menschen im Ruhestand, schlichten Konflikte an Schulen – und entlasten somit die Lehrkräfte. Die Mediatorin Ruth Gerbracht erklärt, was das Projekt ausmacht. Sie ist außerdem Schriftführerin beim Bremer Landesverband.
Der Bremer Landesverband des Vereins Seniorpartner in School wurde 2022 ins Leben gerufen. Wie hat sich das Angebot seitdem entwickelt?
Ruth Gerbracht: Der Verein wurde im April 2022 gegründet, also vor etwa anderthalb Jahren. Gestartet sind wir mit sieben Leuten. Nach der nächsten Ausbildungsstaffel werden es um die 70 Personen sein. Von daher hat es sich sehr gut entwickelt. Bremen scheint ein Ort zu sein, wo das Ehrenamt großgeschrieben wird. Wir suchen Jungsenioren ab 55 plus, die eine Mediatoren-Ausbildung absolvieren und anschließend als Mediator oder Mediatorin, also als Streitschlichter an Bremer Grundschulen gehen. Zum Einsatz kommen immer Dreierteams. Zwei Personen sind während der Sprechzeiten vor Ort in den Schulen, eine hat frei. Es ist also möglich, Urlaub zu machen, ohne dass man auf die Schulferien angewiesen ist.
Wie oft finden die Sprechstunden statt?
Einmal pro Woche. Die Schulen, in denen wir eingesetzt werden, teilt uns die Bildungsbehörde mit. Das Amt finanziert die Ausbildung bisher und begrüßt es sehr, dass wir diese Art von Gewaltprävention an den Schulen anbieten. Man muss dazu sagen, dass es ein forderndes und anspruchsvolles Ehrenamt ist. Das gilt auch für die professionelle Ausbildung. Insgesamt ist es aber eine Win-Win-Situation, weil das Ehrenamt Jung und Alt verbindet. Darüber hinaus unterstützen und entlasten wir die Lehrerinnen und Lehrer. Ich bin beispielsweise an der Grundschule an der Nordstraße in Walle. Dort sind die Sprechzeiten dienstags von 9 bis 13 Uhr. Die Kinder können von sich aus zu uns kommen, oder sie werden von Lehrkräften geschickt. Es läuft jedoch ausschließlich auf freiwilliger Basis, sonst funktioniert eine Mediation nicht.
„Wenn sie Streit haben, versuchen wir, mit ihnen gemeinsam Lösungen zu finden.“
Es geht darum, eine Mediation einzusetzen, um Schülerinnen und Schüler unter anderem bei Konflikten zur Seite zu stehen. Wie laufen die Sprechstunden in der Regel ab?
Die Kinder sind während der Sprechstunden in einem geschützten Zimmer, dem „Raum für gute Lösungen“. Sie können den Mediatoren und Mediatorinnen alles erzählen, und diese behalten sämtliche Gesprächsinhalte für sich. Es wird demzufolge nichts an Lehrkräfte oder die Eltern weitererzählt. Und unsere Aufgabe ist es selbstverständlich auch nicht, die Kinder zu bestrafen. Das ist ganz wichtig für die Schülerinnen und Schüler. Wenn sie Streit haben, versuchen wir, mit ihnen gemeinsam Lösungen zu finden, wie man zukünftig friedlicher miteinander umgehen kann.
An welchen Standorten gibt es die Sprechstunden?
Wir sind schon in Walle, Gröpelingen, Huchting, Hemelingen, Kattenturm und Osterholz-Tenever vertreten. In Kattenturm und Gröpelingen haben wir sogar zwei Teams, weil dort der Bedarf so hoch ist. Mit der Bildungsbehörde sind wir zudem in Gesprächen, welche Stadtteile ebenfalls berücksichtigt werden sollen. Es handelt sich dabei ausschließlich um Grundschulen. Es kamen auch schon Anfragen von Oberschulen, ob wir dort nicht auch Streitschlichter und -schlichterinnen einsetzen könnten. Erst einmal fokussieren wir uns aber auf Grundschulen. Wir sind hier in Bremen noch ganz am Anfang und sind bundesweit das 14. Bundesland, das die Seniorpartner in School anbietet. In Berlin gibt es sie schon seit 20 Jahren.
„Die Seniorpartner in School hat bundesweit zertifizierte Trainerinnen und Trainer.“
Worüber wird an Bremens Schulen am häufigsten gestritten?
Das sind meistens die klassischen Themen, also wenn zum Beispiel der eine nicht mehr mit dem anderen spielen möchte oder Kinder sich gegenseitig Sachen wegnehmen. Das macht sie dann traurig oder wütend. Rangeleien kommen auch mal vor. Gelegentlich bekommen wir an den Sprechtagen in den Schulpausen Vorfälle mit und können dann gegebenenfalls direkt auf dem Pausenhof etwas mit den Schülerinnen und Schülern regeln.
Wie werden die Vereinsmitglieder für ihren Einsatz geschult?
Die Seniorpartner in School hat bundesweit zertifizierte Trainerinnen und Trainer. Diese kommen an den jeweiligen Standort, um die künftigen Mediatorinnen und Mediatoren auszubilden. Es sind immer vier Blöcke à drei Tage. Wir arbeiten etwa mit einem Trainer aus Bayern zusammen. Er kommt von November bis Januar für insgesamt rund 90 Unterrichtstunden nach Bremen. Der Unterricht findet von 9 bis 16 Uhr statt. Da die Ausbildung für den Kostenträger sehr teuer ist, verpflichten sich die Teilnehmenden, wenigstens für 18 Monate für Seniorpartner in School tätig zu sein. Für Mediatorinnen und Mediatoren werden außerdem Fortbildungen organisiert, die unter anderem durch Fundraising oder Spenden finanziert sind.
„Wir hoffen auf die Babyboomer, die jetzt mit 63 oder 64 Jahren in Rente gehen.“
Stehen ausreichend Freiwillige zur Verfügung – oder besteht noch Bedarf?
Bedarf besteht auf jeden Fall. In diesem Jahr war der Zulauf groß und die Plätze für die Ausbildung schnell vergeben. Im nächsten Jahr können sich Interessierte gern bei uns melden. Wir hoffen auf die Babyboomer, die jetzt mit 63 oder 64 Jahren in Rente gehen und sagen: „Wir möchten noch irgendwas Sinnvolles tun.“ Schön wäre es, wenn wir das Angebot noch ausweiten könnten und irgendwann auch auf unsere 20 Jahre kommen wie in Berlin. (lacht)
Weitere Infos gibt es auf der Website des Vereins Seniorpartner in School.