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Tjark Worthmann

Wohnkonzepte für die Zukunft: Zufrieden leben im Alter

Eine Wohngemeinschaft mit Wohlfühlfaktor

In unserer Serie „Wohnkonzepte“ möchten wir alternative Ideen für das Leben miteinander vorstellen. Zum Anfang besuchen wir dazu einen der prominentesten Bremer. Er ist inzwischen 80 Jahre alt, über zwei Meter groß und kann nicht durch die Stadt laufen, ohne in viele freundliche Gespräche verwickelt zu werden. Er wohnt mit seiner Frau Luise in der wohl bekanntesten Wohngemeinschaft der Hansestadt: der ehemalige Bürgermeister Henning Scherf.

Ex-Bürgermeister Henning Scherf auf dem Sessel seiner Mutter. Es ist einer seiner Lieblingsplätze in der Wohnung. Foto: Tjark Worthmann

Treffpunkt für unser Gespräch ist die Sparkasse am Brill. Bereits von Weitem erkennt man das bekannte Gesicht in der Menge, und auch die Kunden in den Geschäftsräumen haben ein schnelles Lächeln für Henning Scherf parat – nicht alltäglich bei einem Politiker. Bei unserem Spaziergang zu seiner Wohnung in der Rembertistraße setzt sich dieser Eindruck fort: Fast an jeder Straßenecke wird Henning Scherf herzlich gegrüßt oder grüßt selbst Polizisten, Passanten und Schüler. Der Mann fühlt sich wohl in seiner Stadt, das merkt man deutlich.

1987 kauften Scherf, seine Frau Luise und mehrere Freunde das fast 200 Jahre alte Haus in Bahnhofsnähe und beschlossen, gemeinsam darin alt zu werden. „Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, was wir machen, wenn die Kinder aus dem Haus sind“, erinnert sich Scherf. „Luise wollte gerne ein Bauernhaus auf dem Marktplatz – aber das war natürlich nicht möglich“, sagt der ehemalige Bürgermeister lächelnd. Jede Wohnpartei bekam nach einer Umbauzeit von einem knappen Jahr eine eigene Wohnung. Im Laufe der Zeit wurde aus einem ehemaligen Durchgang zum hinteren Teil des Hauses ein Treppenhaus inklusive Lift. Klar mache man sich bei Umbaumaßnahmen auch immer Gedanken ans Alter, gibt Scherf zu Protokoll.

Scherf sitzt noch gerne am Flügel und spielt Musik. Foto: Tjark Worthmann

Im Moment leben acht Menschen im Haus an der Rembertistraße, Platz wäre für zehn. Doch Luise Scherf möchte Raum für die vielen Enkelkinder und Freunde vorhalten, die regelmäßig zu Besuch kommen. „Es ist wirklich ein sehr lebendiges Zuhause“, berichtet Scherf. „Viele Initiativen laufen hier zusammen – und es wird nie langweilig.“ Müssen einmal Entscheidungen getroffen werden, fallen diese nur mit der Zustimmung aller: „Ist jemand dagegen, wird es nicht gemacht.“ Mögliche Probleme kommen meist beim samstäglichen Frühstück auf den Tisch, welches im Wechseln in allen Wohnungen stattfindet. „Da wird dann alles bekakelt und läuft sehr informell ab“, sagt der ehemalige Politiker. „Es ist hilfreich, wenn man gerne mit anderen zusammen und offen für andere Töne und Sichtweisen ist“, beschreibt er das Geheimnis hinter der langen Zeit, die die Freunde in dem Haus bisher zusammen verbracht haben. „Es existiert ein großer gemeinsamer Freundeskreis – das ist mit der Zeit wirklich ganz wunderschön gewachsen.“

„Hamburg ist eine wunderschöne Stadt und auch Berlin ist toll“, erstaunt Scherf dann. Aus Bremen wegzugehen, könnte sich der Autor jedoch absolut nicht vorstellen. Über 100 Termine in Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen bei ihm im Jahr jedoch im Kalender. Bei seinen Reisen entdeckt er viele kleine Städte und Dörfer. „Ich muss sagen, unser Land ist wirklich sehr vielfältig und reizvoll.“ Über den Drang, auch im Alter noch viel unterwegs zu sein, sagt Scherf: „Es tut mir einfach gut, wenn ich ein großes Publikum mit meinen Themen und Büchern erreichen kann. Und außerdem bitte ich immer um Spenden für unser Projekt für Kinder in Nicaragua.“

Der Werder-Fan ist inzwischen 80 Jahre alt und immer noch zu 100 Terminen im Jahr auf Lesereise. Foto: Tjark Worthmann

Auf seinen Lesereisen werde er oft nach den Erfahrungen in dieser etwas ungewöhnlichen Wohngemeinschaft gefragt: „Alle wollen wissen, wie wir unser tägliches Leben gestalten, und denen sage ich: Wir haben Ideen, wir kennen Menschen, wir machen das einfach. Und das kann jeder. Wir schaffen uns Anregungen und kommen dadurch besser im Alter zurecht, davon bin ich überzeugt.“ Und das gehe auch mit wenig Geld, sagt Scherf: „Ich kenne viele ältere Menschen, die da sehr umtriebig unterwegs sind.“

Nach anstrengenden Tagen kommt der Exbürgermeister gerne wieder nach Hause und sucht einen seiner Lieblingsplätze in der Wohnung auf. „Ich kann auch immer mal die Füße hochlegen und außerdem schlafe ich gut, darüber hole ich mir sehr viel Kraft“, erzählt der 80-Jährige und blickt sich im Wohnzimmer um. An den Wänden hängen viele Bilder bekannter und befreundeter Künstler. „Alle Dinge hier haben eine Geschichte zu erzählen. Ich sitze beispielsweise gerade auf einem Sessel, den wir damals meiner Mutter geschenkt haben“, sagt er. „Wir fühlen uns hier wirklich pudelwohl.“

 

Dieser Beitrag ist Teil unseres Themenspecials „Mein Zuhause“. Sind Sie interessiert an mehr Artikeln dieser Art? Schauen Sie sich unsere Sammlung von Beiträgen rund ums Thema an.

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Autorenbild Tjark Worthmann

Von Tjark Worthmann

Ich fahre am liebsten mit der Vespa oder der Schwalbe durch unsere schöne Hansestadt und entdecke dabei immer wieder geheime Wege und versteckte Orte.

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