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Digitaler Nachlass
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Der letzte Weg: Digitaler Nachlass

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Bestatter Herwig Gründel gibt Tipps, wie man mit den Spuren Verstorbener im Internet umgeht

Es klingt so profan, aber es stimmt: Der Tod gehört zum Leben dazu. Jeder muss sich früher oder später mit dem Thema Sterben beschäftigen. Wir wollen in einer Beitragsreihe Fragen rund um den letzten Weg eines Menschen beantworten und haben dafür mit Herwig Gründel vom Bestattungsinstitut GE·BE·IN gesprochen. Im dritten Teil geht es um den digitalen Nachlass: Was passiert mit meinen Spuren im Internet, wenn ich sterbe?


„Das Thema digitaler Nachlass ist für viele Menschen ein wenig so, als würden sie am Strand stehen“, erklärt Herwig Gründel. „Eben waren nur die Zehen im Wasser, aber plötzlich kommt die Flut.“ Vorbereitung ist also wichtig, um nicht von einer Welle überrascht zu werden.

Warum ist der digitale Nachlass wichtig?

Das Thema betrifft jedes Jahr mehr Personen. „Die Menschen, die ein Bestattungsinstitut beauftragen, wachsen so langsam aus der Generation heraus, die so gar nichts mit dem Internetzeitalter zu tun hat“, bestätigt Herwig Gründel. Und auch bei älteren Personen steige stetig die Bereitschaft, sich mit diesen Medien auseinanderzusetzen. „Das Bewusstsein über den digitalen Nachlass wächst, das ist erfreulich. Schließlich sind wir fast alle online sehr aktiv, aber machen uns gar nicht so viele Gedanken darüber, wo wir überall unseren ‚digital Footprint‘ hinterlassen, also unsere Fußabdrücke im Netz.“

Was umfasst der digitale Nachlass?

Die Spuren, die wir im Netz hinterlassen, können sehr unterschiedlich sein. Dies sind Bereiche, in denen viele Menschen aktiv sind und die man beim digitalen Nachlass beachten sollte:

  • E-Mail-Adresse
  • Soziale Medien wie Facebook, Instagram und Twitter
  • Onlinebanking, Paypal
  • Onlineshops, Versandhäuser und Shoppingplattformen wie Amazon
  • Spiele und Onlineabos
  • Streamingdienste wie Netflix
  • Datingplattformen
  • Jobportale wie Xing
  • Foren zum Austausch über bestimmte Themen
Digitaler Nachlass
Die meisten Menschen sind mittlerweile digital vernetzt. Nach ihrem Tod herauszufinden, wo, kann für die Angehörigen eine Belastung sein. Your_Photo/Freepik.com

Woher weiß ich, wo der oder die Verstorbene online aktiv war?

Oftmals wissen die Hinterbliebenen nur von einer E-Mail-Adresse. „Das ist dann häufig nur die halbe Wahrheit“, sagt Herwig Gründel. „Schließlich weiß man nicht immer komplett über das Internetverhalten eines oder einer Angehörigen Bescheid. Da gibt es auch ab und zu eine Überraschung. Das muss aber gar nicht unbedingt etwas damit zu tun haben, dass die Betroffenen etwa auf geheimen Datingseiten unterwegs waren oder etwas Verbotenes gemacht haben. Aber ich kann anderweitig Vertragspflichten haben, von denen die Hinterbliebenen nichts wissen.“

In diesen Fällen ist es hilfreich, wenn sich jemand darum kümmert, alle Eventualitäten zu prüfen. Das GE·BE·IN bietet mit dem Onlineformalitäten-Portal ein Paket rund um den digitalen Nachlass an. Dieses kann bei einem Sterbefall von den Angehörigen (einer Person aus der Erbengemeinschaft), aber auch im Rahmen der eigenen Vorsorge beauftragt werden. Ein spezialisierter Dienstleister, Columba, richtet dabei digitale Anfragen an die 150 führenden Internetdienstleister. Dazu gehören etwa Facebook, Instagram und Paypal. Die Recherche umfasst auch Konten und Guthaben. Zugangsdaten und Passwörter sind dafür nicht zwingend notwendig, lediglich die E-Mail-Adresse der verstorbenen Person beziehungsweise die URL der Profilseite.

„Diese Fachleute melden sich dafür mit der Sterbeurkunde bei den entsprechenden Unternehmen“, erklärt Herwig Gründel. „Sie sorgen dafür, dass – je nach Wunsch der Angehörigen – das Konto rechtsverbindlich abgemeldet oder auf eine andere Person übertragen wird.“ Alle Informationen gingen an die Hinterbliebenen. „Diese erhalten Zugang zu einem Portal, auf dem sie einsehen können, was unser Dienstleister herausfindet: den aktuellen Stand, was eventuell schon abgemeldet wurde und wo womöglich noch Unterlagen fehlen.“

Was tun mit Anmeldungen eines verstorbenen Angehörigen?

Im Internet geht es natürlich nicht immer nur um Unterhaltung. „Was manchen nicht bewusst ist: Häufig schlummern da auch Verträge“, erläutert Herwig Gründel. „Die erlöschen nicht automatisch, sondern diese und die daraus entstehenden Pflichten gehen in den Nachlass über.“ Natürlich müssen Hinterbliebene nicht jede Anmeldung rückgängig machen. Wer einmalig etwas in einem Onlineshop bestellt hat, hat dadurch ja meist keine langfristigen Verpflichtungen.

Anders ist das bei Abos, beispielsweise bei Streaming-Diensten wie Netflix. Diese kosten monatlich Geld. Wenn man das nicht abmeldet, wird auch nach dem Tod des Vertragsinhabers unnötigerweise weiter regelmäßig ein Betrag abgebucht. „Wenn Verträge existieren, muss man sich überlegen: Kündige ich sie oder will ich sie selbst fortführen? Bei Paypal beispielsweise schlummert vielleicht auch noch Guthaben. Dieses Geld gehört zum Nachlass und damit der Erbengemeinschaft.“

Auch soziale Medien, auf denen sich der oder die Verstorbene präsentiert hat, verdienen Beachtung. Oft ist es möglich, die jeweilige Seite in einen Gedenkstatus zu versetzen. Dabei verschwinden die Inhalte nicht, aber Besucherinnen und Besucher sehen gleich, dass die Person verstorben ist. Das schützt etwa vor persönlichen Nachrichten oder Geburtstagsglückwünschen.

Vorsorge
Fast jeder hinterlässt mittlerweile einen „digitalen Fußabdruck“, der nach dem Tod nicht automatisch verwischt. 9Comeback/Freepik.com

Kann ich als Hinterbliebener auch selbst den digitalen Nachlass für einen Angehörigen ordnen?

„Das ist natürlich möglich“, erklärt Herwig Gründel. „Aber wenn das Profis übernehmen, die damit tagtäglich zu tun haben, ist es eine riesige Entlastung für die Hinterbliebenen.“ Schließlich reiche es oft nicht nur, herauszufinden, wo jemand angemeldet war. Sondern man müsse sich erarbeiten, welche Schritte bei welcher Plattform, bei welchem Unternehmen notwendig sind, um ein Konto aufzulösen oder eine Seite in den Gedenkzustand zu versetzen. „Da muss man sich bei jeder Firma quasi neu einlesen.“ Und spezialisierte Dienstleistungsunternehmen fänden häufig auch Mitgliedschaften und Verträge, von denen die Hinterbliebenen gar nichts wissen, beispielsweise einen Paypal-Account.

Erfährt man beim digitalen Nachlass mitunter etwas Neues über die verstorbene Person?

Es kann passieren, dass etwa ein verheirateter Mensch bei einem Datingportal angemeldet war. „Wer seinen digitalen Nachlass noch zu Lebzeiten regelt, kann auch anordnen, das Hinterbliebene über manches nicht informiert werden“, sagt Herwig Gründel. Oft sei aber gar nichts Pikantes dabei, wenn etwas Neues über eine verstorbene Person zutage kommt. Das betreffe nicht nur den Onlinebereich. „Letztlich ist das doch in unser aller Leben so: Jeder hat trotz aller Liebe und Offenheit in Partnerschaften, Beziehungen und Ehen noch ein ganz kleines Fleckchen von sich selbst – ureigene Geheimnisse, die er oder sie für sich behält.“

Wenn ein Mensch sterbe, gebe es daher immer auch Überraschungen. Das passiere spätestens, wenn Angehörige die Wohnung ihrer Eltern ausräumen. „Wir haben ja mit den Menschen bei einem Bestattungsfall länger miteinander zu tun. Da kommt man ins Erzählen. Und erwachsene Kinder sagen beispielsweise: ‚Ich lerne meine Mutter gerade von einer völlig neuen Seite kennen. Ich wusste gar nicht, dass sie daran Interesse hatte oder von diesen Dingen so viel besaß.‘“

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Kann ich mich um meinen eigenen digitalen Nachlass kümmern?

„In unseren Vorsorgegesprächen sprechen wir die Menschen bereits auf das Thema an“, sagt Herwig Gründel. „So können sie sich schon einmal Gedanken um ihren digitalen Nachlass machen:  Wo bin ich überall – und wie möchte ich das nach meinem Tod geregelt wissen? Dann können wir das gemeinsam beleuchten und nach den konkreten Wünschen fragen.“

Wer sich mit dem Thema zu Lebzeiten beschäftigt, kann gleich alle wichtigen Zugangsdaten notieren. „Wir empfehlen den Menschen, die ihren digitalen Nachlass planen: Wählen Sie jemanden aus dem Familienkreis aus, um dort eine Liste mit Zugangsdaten zu hinterlegen“, erklärt der Bestatter. „Oder tragen Sie diese Informationen in einen Vorsorgeordner ein, in dem sie alles im Sterbefall Notwendige abheften können. Selbstverständlich steht das GE·BE·IN Ihnen auch bei Fragen zur eigenen Vorsorge – ob mit oder ohne digitalen Nachlass – hilfsbereit zur Seite.“

Das Bestattungsinstitut GE·BE·IN betreut eine Vielzahl der jährlichen Sterbefälle in Bremen und umzu. Es ist an zehn Standorten vertreten: Überseestadt, Lesum, Walle, Horn, Huchting, Hastedt, Neustadt, Arsten, Woltmershausen und Achim. Telefonisch ist es unter der Nummer 38 77 60 zu erreichen, per E-Mail an kontakt@ge-be-in.de.

Herwig Gründel informiert auch regelmäßig bei Terminen in Stadteilfilialen darüber, worauf es bei einem Sterbefall ankommt. Die Ankündigungen finden sich auf den jeweiligen Filialseiten. Momentan sind allerdings Corona-bedingt alle Veranstaltungen mit Gästen ausgesetzt.

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Autorenbild Alena Mumme

Von Alena Mumme

Ich bin Tagenbaren – meine Eltern und Großeltern sind also wie ich in Bremen geboren und aufgewachsen. Nur spannende Reisen locken mich aus meiner gemütlichen Heimatstadt.

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