Der letzte Weg: Ein außergewöhnlicher Beruf
Bestatter Herwig Gründel über Herausforderungen und die schöne Seiten seines Jobs
Es klingt so profan, aber es stimmt: Der Tod gehört zum Leben dazu. Jeder muss sich früher oder später mit dem Thema Sterben beschäftigen. Wir wollen in einer Reihe Fragen rund um den letzten Weg eines Menschen beantworten und haben dafür mit Herwig Gründel vom Bestattungsinstitut GE·BE·IN gesprochen. Im zweiten Teil geht es um den Beruf des Bestatters beziehungsweise der Bestatterin.
„Wer mir früher gesagt hätte ‚Du wirst mal Bestatter‘, dem hätte ich einen Vogel gezeigt.“
Wie sind Sie persönlich zu Ihrem Beruf gekommen?
Herwig Gründel: Ich habe 2010 im Rahmen einer Umschulung den Beruf Bestattungsfachkraft bei einem Bremer Familienunternehmen gelernt. 2014 bin ich dann zum GE·BE·IN gewechselt, wo ich mittlerweile Abteilungsleiter für alle Beraterinnen und Berater sowie für unsere Auszubildenden bin.
Vor dem Berufswechsel war ich 15 Jahre bei der Lufthansa als Chefsteward unterwegs. Dann bin ich fluguntauglich geworden. Die Umschulungsmaßnahme wollte ich erst überhaupt nicht. Wer mir früher gesagt hätte „Du wirst mal Bestatter“, dem hätte ich einen Vogel gezeigt. Es liegt mir aber, mich um Menschen zu kümmern. Also habe ich dem Ganzen eine Chance gegeben.
„Der Tod hat viele Gesichter.“
Wie waren Ihre ersten Erfahrungen?
Herwig Gründel: Ich habe erst einmal ein Praktikum gemacht, weil ich nicht wusste, wie der Umgang mit Verstorbenen ist. Da hatte ich gar keine Bilder im Kopf und bis dahin auch noch nie einen toten Menschen gesehen. Zudem hatte ich noch keine Erfahrungswerte mit Trauernden – wohl aber durch die Fliegerei mit Personen, die emotionalen Stress haben, etwa weil sie klaustrophobisch sind.
Im Praktikum merkte ich dann ganz schnell: Es ist super ungewohnt und es sind völlig neue Eindrücke – aber es macht mir nichts aus. Natürlich gibt es auch Bilder von Leichnamen, die furchtbar anzusehen sind, beispielsweise nach einem Unfall oder einer Selbsttötung. Der Tod hat viele Gesichter. Aber auch das ist für mich okay. Manches geht mir nahe und ich denke: Wie heftig muss eine Lebensgeschichte sein, wenn das für den Menschen als der einzig vorhandene Ausweg erschien? Das macht mich traurig. Aber diese Situationen kann ich gut verarbeiten und nehme sie nicht mit nach Hause.
„Etwas Sinnvolles tun – bis zur Rente.“
Welche Auszubildenden suchen sich diesen Beruf aus?
Herwig Gründel: Momentan haben wir zehn Auszubildende beim GE·BE·IN. Die Arbeit mit den jungen Leuten macht mir sehr viel Spaß. Mich interessiert in den Bewerbungsgesprächen auch sehr, wie sie zu der Berufswahl gekommen sind. Ich habe die Umschulung zum Bestatter mit 39 Jahren gemacht – das ist ja noch einmal etwas ganz anderes als mit 18 oder 19.
Einige haben zum Beispiel ihre Großeltern verloren und dabei mitbekommen, was Bestattungsfachkräfte alles machen. Wenn die Erfahrung gut war, können sie sich auch vorstellen, andere Menschen in dieser Situation zu entlasten und zu unterstützen. Wenn sie schlecht war, wollen sie es lernen, um es besser zu machen. Andere haben mit beeindruckender Weitsicht beschlossen, dass sie etwas Sinnvolles tun möchten und zwar – weil es immer gebraucht wird – bis zu ihrer Rente.
„Die Leute sind hier echt.“
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?
Herwig Gründel: Als Bestatter ist man so vieles: Ich bin Tröster, Organisator, Maskenbildner, Eventmanager, Mediator, Streitschlichter, Kreativer durch die Traueranzeigen und -karten … Sehr viele Aspekte sind in diesem modernen Beruf vereint. Mir gefällt diese Verantwortung.
Wenn man Menschen mag, ist man in diesem Beruf wirklich gut aufgehoben. Man kann ihnen – sinnbildlich gesprochen – eine Schulter zum Anlehnen leihen. Das ist natürlich anstrengend. Und manchmal gibt es Schicksale, die auch uns als Bestatterinnen und Bestatter erreichen. Einige Angehörige nutzen die Begleitung sehr intensiv.
Man lernt Leute zudem wirklich kennen. Als Bestatter ist mir nichts Menschliches fremd: Wir kennen sämtliche Gefühlsreaktionen, die zur Trauer dazugehören. Wir sind neutral – da trauen sich die Hinterbliebenen eher, sich von ihrer weniger gesellschaftsfähigen Seite zu zeigen. Die Leute sind hier echt. Das ist nicht nur schön, aber mir viel lieber als jemand, der mich aufgesetzt anlächelt und sich selbst vorgaukelt, es wäre alles in Ordnung. Dann ziehe ich das Echte vor – auch wenn es manchmal unbequem ist.
Im Großen und Ganzen ist es ein tolles Gefühl, den Menschen hilfreich zur Seite zu stehen. Und wenn sich die Angehörigen nach der Bestattung bedanken, dass wir sie begleitet haben – das Gefühl ist unbezahlbar.
Das Bestattungsinstitut GE·BE·IN betreut eine Vielzahl der jährlichen Sterbefälle in Bremen und umzu. Es ist an zehn Standorten vertreten: Überseestadt, Lesum, Walle, Horn, Huchting, Hastedt, Neustadt, Arsten, Woltmershausen und Achim. Telefonisch ist es unter der Nummer 38 77 60 zu erreichen, per E-Mail an kontakt@ge-be-in.de.
Herwig Gründel informiert auch regelmäßig bei Terminen in Stadteilfilialen darüber, worauf es bei einem Sterbefall ankommt. Die Ankündigungen finden sich auf den jeweiligen Filialseiten. Momentan sind allerdings Corona-bedingt alle Veranstaltungen mit Gästen ausgesetzt.