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Dagmar Pejouhandeh zeigt drei Lyrikbände
Kristina Bumb

Stadtteilköpfe: Dagmar Pejouhandeh

Die Vorleserin und Autorin aus Lesum im Gespräch

Man kennt Dagmar Pejouhandeh in Bremen-Lesum als Dichterin, die die Landschaft und den Flair von Knoops Park in Worte fassen kann. Immer wieder fungiert die Lesumerin auch als ausdrucksstarke Vorleserin, die bei Kulturveranstaltungen im Bremer Norden Literaturklassiker zum Leben erweckt oder ihre eigene Lyrik vorstellt. SPOT sprach mit der 70-Jährigen über ihre Liebe zur Literatur und zur Seelenlandschaft an der Lesum.


Wer ist Dagmar Pejouhandeh?

Dagmar Pejouhandeh: Wenn ich Ihnen diese Frage ganz ausführlich beantworten würde, dann würden wir hier sehr lange sitzen, oder ich würde irgendwann ins Staunen kommen und mich fragen: Ja, wer bin ich eigentlich? Wer ist Dagmar? Dagmar ist ein neugieriger Mensch, ein Mensch, der sehr naturverbunden ist. Und ein Mensch, der sehr an sozialen Themen interessiert ist.

Ich bin im Stadtteil Walle geboren und nicht im grünen Bremer Norden. In meiner Kindheit gab es nicht viele Möglichkeiten, in der Natur zu sein. Aber wo sich die Möglichkeit bot, draußen zu sein, habe ich sie genutzt. Auch meine Mutter hat immer dafür gesorgt, dass wir an den Wochenenden rausgefahren sind. Das sind auch meine ersten Bezüge zu Bremen-Nord. Wir sind zum Beispiel mit dem Schiff dorthin gefahren oder picknickten auf Holzbänken in einem Restaurant in Farge.

Vor über 40 Jahren, als ich mit meinem Sohn schwanger war, sind wir dann in den Norden gezogen. Ich war zuvor im Kita- und Hortbereich aktiv. Mein erster Arbeitsbezug in Lesum war die heutige Paul-Goldschmidt-Schule, wo ich als Sozialpädagogin tätig war. Danach bin ich nach Friedehorst gekommen, und da bin ich immer noch – nach der Verrentung – stundenweise tätig.


„Ich kann jetzt noch mal eine andere Seite von mir ausleben.“


Also ist der Ruhestand im klassischen Sinn nichts für Sie?

Dagmar Pejouhandeh: Nein, und ich kann mit dem Wort auch nicht allzu viel anfangen. Die Rente sehe ich eher als eine Befreiung von einem recht eng geschnürten Verpflichtungspaket, das man mit der Lohnarbeit hat. Ich kann jetzt noch mal eine andere Seite von mir ausleben – auch wenn ich die Tätigkeit in Friedehorst sehr schön finde.

Ich bin die ganzen Jahre in der Verselbstständigung von Menschen mit Behinderungen aktiv gewesen. Es ging dabei oft um die Begleitung in das selbstständige Wohnen. Überwiegend waren es recht junge Menschen, aber auch ältere. Das hängt davon ab, aus welchem Grund jemand eingeschränkt ist – ob von Geburt an, durch eine Erkrankung oder weil ein Unfall passiert ist.

Ich habe sie unterstützt, zu schauen: Wie geht das Leben weiter? Das finde ich ein unheimlich spannendes Thema, und das ist ein Herzstück von mir. Wie geht das Leben weiter, wenn auf einmal alles ganz anders ist? Das Selbstständigwerden, auch in seinen Grenzen und Hilfebedarfen, wird meiner Meinung nach in der jetzigen Inklusionsdebatte manchmal ein bisschen unterschätzt.


„Im sehr hohen Alter geht es ja oft ein Stück zurück zur Kindheit.“


Sie sind noch heute in Friedehorst tätig?

Dagmar Pejouhandeh: Ich gebe zwei Kurse für Seniorinnen und Senioren, die vollstationär in Friedehorst wohnen. In einem geht es um Bewegung. Der andere kommt dem nahe, was mein großes Hobby ist. Der Kurs heißt „Die Bücherkiste“. Dort beschäftigen wir uns überwiegend mit Märchen, was sehr beliebt ist.

Im sehr hohen Alter geht es ja oft ein Stück zurück zur Kindheit. Unter meinem Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind Menschen mit geistigen Behinderungen, teilweise mit körperlichen Beeinträchtigungen und auch mit  Demenz. Es kommt viel zusammen, doch die Begeisterung Märchen zu hören ist trotzdem vorhanden – das, was man als Kind gekannt hat. Ich lese dann die Märchen vor, es gibt Kaffee und Tee, wir singen auch viel, machen ein wenig Gedächtnistraining. Das macht allen viel Spaß, auch mir.


„Ich hatte Texte, bei denen ich dachte: Eigentlich gehört das an bestimmten Orten einfach mal vorgelesen.“


Wie kamen Sie zur Ihrer Beschäftigung mit Literatur?

Dagmar Pejouhandeh: Meine Mutter hat uns viel vorgelesen und uns auch ganz früh an Bücher herangeführt. Ich war leidenschaftliche Leserin. Alles, was ich in die Finger bekam, habe ich gelesen. Ich bin schon sehr früh in die Bücherei gegangen. Der Bezug zur Literatur ist mir also ein Stück weit in die Wiege gelegt worden und hat sich immer weiterentwickelt. Meine Lieblingsautoren wie Hesse und Borchert habe ich als junge Frau verschlungen. Gedichte von Mascha Kaléko, „Krieg und Frieden“ von Tolstoi habe ich ebenfalls verschlungen. Fontane lese ich jetzt gerne wieder.

So fing es auch mit dem Vorlesen an. Ich hatte Texte, bei denen ich dachte: Eigentlich gehört das an bestimmten Orten einfach mal vorgelesen. Das hat sich dann als Erstes mit Tanja Blixens „Babettes Gastmahl“ ergeben. Den Roman liebe ich sehr. In einer kleinen Buchhandlung – der Büchergilde am Hauptbahnhof – habe ich zum ersten Mal vorgelesen. Die Inhaberin der Buchhandlung und ich, wir guckten uns an, sprachen über die Welt – und auf einmal gab es dann die Lesung.

Dagmar Pejouhandeh sitz in Knoops Park und schreibt
Die Lesumerin findet in Knoops Park Inspirationen für ihre Gedichte. Kristina Bumb

„Wenn ich eine Lesung anbiete, übe, übe, übe ich.“


Einfach so eine Lesung veranstalten – das kann sicher nicht jeder. Sie sprechen sehr prononciert und ausdrucksstark. Haben Sie eine schauspielerische Ausbildung oder eine Ausbildung als Sprecherin?

Dagmar Pejouhandeh: Nein, auch wenn das manche vermuten. Es scheint eine Begabung zu sein. Aber wie bei jeder Begabung steckt natürlich Übung dahinter. Wenn ich eine Lesung anbiete, übe, übe, übe ich. Nach der ersten Lesung von „Babettes Gastmahl“ habe ich in Bremen-Nord weitergemacht. Zum Beispiel war ich bei der „Leserpromenade“ und bei der Reihe „Punkt 11“ der Stadtbibliothek Vegesack dabei.

Während einer solchen Lesung habe ich zum ersten Mal eigene Gedichte vorgetragen. Ich habe erst gar nicht gesagt, dass sie von mir stammen. Ich war einfach neugierig, wie die Resonanz ist. Und dann bekam ich viel positives Feedback und irgendjemand sagte zu mir: „Das ist doch nicht nur was fürs stille Kämmerlein.“


„Knoops Park ist für mich eine Seelenlandschaft und ein Kraftort.“


Wie kamen Sie zum Schreiben? Ist das Dichten ein inneres Bedürfnis für Sie?

Dagmar Pejouhandeh: Geschrieben hatte ich schon lange: Tagebuch, Eindrücke, aber gern auch Gedichte. Sie können sich vorstellen, dass mein Beruf herausfordernd war. Ich arbeitete in Vollzeit, hatte Schichtdienst, Feiertagsdienst, Rufbereitschaft. Dass das herausfordernd ist, hatte ich mir so ausgesucht, fand ich auch schön. Aber man ist trotzdem hin und wieder einfach platt.

Dann bin ich von Friedehorst aus direkt mit dem Rad an die Lesum gefahren. Die Lesum und Knoops Park wurden mein Refugium. Ich habe mich manchmal einfach auf eine Bank gesetzt, auf das Wasser geguckt und dachte: Jetzt erst mal ein bisschen loslassen und ein bisschen was abschütteln. Ich habe einen großen Bezug zum Wasser, könnte mir also schlecht vorstellen, irgendwo zu leben, wo kein Wasser in der Nähe ist. Knoops Park ist für mich eine Seelenlandschaft und ein Kraftort, auch wenn das ein strapaziertes Wort ist.


„Ich fand die Reduzierung auf ein paar kurze Worte – auf das Gedicht – am angenehmsten.“


Ist so die Idee zu ihrem ersten Band „Lyrik an der Lesum“ mit Gedichten und Fotografien aus Knoops Park entstanden?

Dagmar Pejouhandeh: Ja, ich hatte die Idee, zu der Landschaft und den Skulpturen Gedichte zu schreiben. Eine Inspiration bildete ebenfalls die Liebesgeschichte zwischen Magdalena Pauli und Percy Rösner, die auch mit der Verfilmung des Briefromans „Sommer in Lesmona“ verewigt ist. Ich hätte ganz viel schreiben können, aber dann fand ich die Reduzierung auf ein paar kurze Worte, auf eine Eingebung, auf das Gedicht am angenehmsten. Es ist eine sehr verdichtete Form, einem Gefühl oder Gedanken Ausdruck zu verleihen, und das gefällt mir.

Leider ist es sehr schwierig, für dieses reduzierte Format eines kleinen Gedichtbandes einen Verleger zu finden. Ich habe das ziemlich früh sein gelassen. Aber Herr Mader von der Buchhandlung Otto & Sohn schlug mir vor, die Gedichte im Eigenverlag zu veröffentlichen. Eine Grafikerin aus der Atelierkate Lesum hat mich bei der Gestaltung des ersten Lyrikbandes unterstützt und die Buchhandlungen aus Bremen-Nord waren gern bereit, den Band bei sich anzubieten. Wenn ich dann erlebe, dass meine Texte gut bei anderen Menschen ankommen, dass andere sich mit ihren Gefühlen wiederfinden, dann ist das eine große Freude für mich.

Mittlerweile haben Sie drei Lyrik- und Fotobände herausgebracht.

Dagmar Pejouhandeh: Der zweite Band heißt „Tänzerischer Spaziergang durch Knoops Park“. Das Titelfoto zeigt meinen Lieblingsbaum: eine Marone, die aussieht, als ob sie tanzt. Der dritte Lyrikband „Töwerland“ handelt von Juist. Ich habe einen ganz großen Bezug zu dieser Insel. Und so, wie der Knoops Park mein Refugium vor Ort ist, ist Juist mein Refugium in der Ferne. Mit der Touristik-Zentrale habe ich schon besprochen, dass ich meine Gedichte im nächsten Jahr dort vorstelle und den Lyrikband in der dortigen Buchhandlung anbiete.


Die Lyrik- und Fotobände von Dagmar Pejouhandeh sowie Postkarten mit Fotomotiven sind im Eigenverlag erschienen und unter anderem bei den Buchhandlungen Otto & Sohn, Lesumer Lesezeit und Seitenweise in Bremen-Nord sowie Storm und Geist in der Bremer City  erhältlich. Ein Lyrikband kostet 6 Euro.

Autorenbild Kristina Bumb

Von Kristina Bumb

Für die Leserinnen und Leser außergewöhnliche Orte erkunden und interessante Menschen kennenlernen – das macht den Beruf der rasenden Reporterin so spannend.

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