Bremer Blogs: Sechs Autorinnen und Autoren über das Corona-Virus
Gregor Samsa sind ich – jeder für sich und doch zusammen
Egal, ob über Mode, Food oder Fitness – bloggen ist total angesagt. Auch in Bremen gibt es viele spannende Themen, über die es sich zu schreiben lohnt. Wir stellen in unserer Serie nach und nach Bloggerinnen und Blogger aus der Hansestadt vor.
Sechs Bremer Autorinnen und Autoren setzen sich auf dem Blog „Gregor Samsa sind ich“ mit dem Thema Corona literarisch auseinander. Der Titel ist angelegt an Franz Kafkas „Die Verwandlung“. Jeder hat einen Fortsetzungsroman geschrieben, deren Teile nun vollständig zu lesen sind. Unterstützung gab es vom Bremer Literaturkontor – zudem fördern die VGH-Stiftung, die Karin und Uwe Hollweg Stiftung sowie die Waldemar Koch Stiftung das Projekt.
Im Interview spricht eine der Autorinnen, Janika Rehak, über die Entstehung des Blogs. Die 37-Jährige ist Vorstandsmitglied des Verbands Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie Mitglied im Bremer Rundfunkrat.
Gleich sechs Autorinnen und Autoren schreiben auf diesem Blog. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Janika Rehak: Die Idee geht zurück auf Betty Kolodzy, die als Autorin mitwirkt. Der Titel „Gregor Samsa sind ich“ stammt ebenfalls von ihr. Sie hat mich gefragt, ob ich Lust auf solch ein Projekt hätte. Wir wollten das Social Distancing schreibend darstellen. So hat es sich ergeben, dass wir mehrere Schriftstellerinnen und Schriftsteller gefragt haben. Als Autorin und Autor ist man das Thema Homeoffice und das Alleinsein gewohnt. Aber unsere Inspiration erhalten wir draußen, in Gesprächen mit anderen Menschen. Das alles war durch den harten Lockdown, den wir von März bis Mai hatten, völlig weggebrochen. So entstand die Idee, das Ganze einfach schreibend miteinander und nebeneinander darzustellen.
Das Literaturkontor hat Sie dabei unterstützt?
Betty Kolodzy und ich sind gemeinsam an Jens Laloire vom Literaturkontor herangetreten – vor allem, weil wir ein Forum gesucht haben, in dem wir diesen Blog ansiedeln konnten. Es ging natürlich auch um die Finanzierung. Wir sind beide hauptberuflich Autorinnen und können solche Projekte nicht aus reinem Spaß machen. Das können wir uns beide nicht leisten – gerade in Zeiten, in denen so viele Einnahmen wegbrechen.
Ich glaube, dass jeder durch Corona Schlagseite bekommen hat – und das spiegelt sich in den Geschichten wider.
Gab es Vorgaben für das Projekt?
Die Geschichten sollten in Bremen stattfinden und mindestens sieben Teile beinhalten. Die Veränderung und Verwandlung, die durch die Pandemie und die Lockdown-Situation mit der Gesellschaft passiert, sollte literarisch in irgendeiner Form abgebildet werden. Wir Autorinnen und Autoren hatten völlig freie Hand bei der Themen- und Figurenwahl sowie auch bei der Art und Weise, wie wir die Texte präsentieren. Ein Crossover war optional. Leyla Bektaş und ich haben dieses Experiment gewagt. Das ist aber auch abgesprochen. Für einen richtigen Fortsetzungsroman hätte es sehr viel Zusammenarbeit, Vorbereitung und Absprache bedurft. Und das hätte dem Ganzen auch wieder die Freiheit genommen.
Wie viel Autobiografisches steckt in Ihren Texten?
Jeder und jede hat irgendwie mit Corona zu tun. Das ist ein Thema, dem man sich momentan einfach nicht entziehen kann – egal, wie persönlich man davon betroffen ist. Meine Figur hadert gerade unter anderem mit der Frage, ob jetzt Kinder anstehen oder nicht. Im dritten Teil habe ich zudem geschrieben, wie sich der Lockdown auf Eltern auswirkt, die derzeit Kinderbetreuung und Homeoffice gleichzeitig stemmen müssen. In dieser Situation war ich im Frühjahr auch. Mir war es wichtig, darauf hinzuweisen, welchen Beitrag eigentlich Kindergärten und Einrichtungen für Kinderbetreuung leisten. Und welche Mammutaufgabe es eben für Eltern ist, den Spagat zwischen Job und Kinderbetreuung zu schaffen.
Ihr Fortsetzungsroman hat nun ein Ende gefunden?
Ja, es ist das vorläufige Ende. Jede Geschichte ist zum Abschluss gekommen, doch gleichzeitig ist keine zu Ende. Es ist eher ein Zwischen-Cut, weil die Pandemie auch noch nicht vorbei ist. Ich habe nicht den Eindruck, dass es bei einer der Geschichten ein Happy End gibt. Alle befinden sich in einem Schwebezustand – außer bei dem Comic von Lui Kohlmann, dessen Heldin sich über ein negatives Corona-Testergebnis freuen darf. Da hat sich der Erzählkonflikt fürs Erste aufgelöst. Es gebe also durchaus die Option, dass wir in drei Monaten gucken, wie es den Protagonistinnen und Protagonisten von heute geht. Aber da gibt es noch keine konkreten Pläne.
Hier geht es zu allen Beteiligten des Blogs.
Was hat ein Käfer mit dem Blog zu tun? Der Titel „Gregor Samsa sind ich“ bezieht sich auf Franz Kafkas „Die Verwandlung“. Darin verwandelt sich die Hauptfigur der Erzählung, nämlich Gregor Samsa, eines Nachts in einen riesigen Käfer – und muss zukünftig damit zurechtkommen. Solch eine Art der Verwandlung erlebt in Zeiten der Corona-Pandemie nun eine ganze Gesellschaft. Laut den Autorinnen und Autoren steht Gregor Samsa stellvertretend für das Sich-Zurechtfinden-Müssen in einem veränderten Alltag.
Der Link zum Blog: Gregor Samsa sind ich.