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Bremer Shanty-Chor
Bremer Shanty-Chor

Stadtteilköpfe: Bremer Shanty-Chor weckt Sehnsucht nach dem Meer

„Unser schönster Auftritt war ein Wohnzimmerkonzert vor sechs Leuten“

Es gibt Menschen im Stadtteil, die Geschichte schreiben. Weil sie sich engagieren und über Jahrzehnte präsent sind. Solch ein Fels in der Brandung ist Christian Preiss-Daimler, der Leiter des Bremer Shanty-Chors. Seit inzwischen über 40 Jahren führt er den heute 29-köpfigen Chor – und ist immer noch mit Begeisterung dabei.


Herr Preiss-Daimler, erzählen Sie uns bitte, wie und wann alles anfing?

Christian Preiss-Daimler: Am 6. Januar 1978 haben Enno Meyer und Holger Gressmann den Bremer Shanty-Chor gegründet. Leider sind die beiden Gründer heute nicht mehr unter uns. Wie die zwei auf die Idee gekommen sind, weiß ich leider auch nicht genau, da ich selbst erst fünf Jahre später dazugestoßen bin. Aber meines Wissens gab es damals noch keinen solchen Chor in Bremen. Anfangs hatten wir 35 aktive Mitglieder, die hauptsächlich Seemannslieder sangen – und zwar vierstimmig und a cappella.


„Der Bremer Shanty-Chor hat insgesamt rund 100 Stücke im Repertoire.“


Was bedeutet der Bremer Shanty-Chor für Sie?

Bis heute bedeutet der Shanty-Chor für mich vor allem Spaß. Ich liebe die Musik. Außerdem sind wir einfach eine tolle Truppe. Zurzeit singen 28 Männer und eine Frau bei uns. Ich bin nun seit über 40 Jahren dabei. Das hätte ich 1982 tatsächlich nicht gedacht, als mich mein Ausbilder im Referendariat fragte, ob ich Lust hätte, die Chorleitung zu übernehmen (lacht). Ich hatte damals an einem Chorleitungskurs an der Uni teilgenommen und dachte mir: „Das kann ich auch.“

Bremer Shanty-Chor
Christian Preiss-Daimler und sein Bremer Shanty-Chor treten vor kleinem wie großem Publikum auf. Bremer Shanty-Chor

Wie groß ist denn die Bandbreite des Chors?

Wir haben insgesamt rund 100 Stücke in unserem Repertoire, die wir im Lauf der letzten Jahrzehnte einstudiert haben. Manche sind allerdings tief im Gedächtnis vergraben, die muss man erst wieder hervorholen. Angefangen haben wir mit klassischen Seemannsliedern wie „Der Käppn, der Stürmann, der Bootsmann und ich“ von Bernhard Jakschtat – und zwar a cappella. Mit der Zeit sind wir peu à peu zu Shantys wie „Riogrande“ übergegangen und haben dann auch Instrumente wie Gitarre und Flöte als Begleitung dazugenommen. Das macht die Lieder noch interessanter. Heute singen wir darüber hinaus auch einige moderne Songs wie „Aloha he“ von Achim Reichel, „Übers Meer“ von Rio Reiser und „When the Ship Comes in“ von Bob Dylan.

Was sind Shantys eigentlich genau?

Bremer Shanty-Chor – LogoShantys sind Arbeitslieder der Seeleute, die Geschichten von ihren Reisen und dem Leben an Bord erzählen. Bekannt sind sie vor einigen Jahren durch „The Wellerman“ von Nathan Evans geworden. Als wir damit begonnen haben, waren Shantys noch unbekannt. Die Suche nach Songs und Texten gestaltete sich damals eher schwierig. Der Engländer Stan Hugill hatte zum Beispiel einige solcher Arbeitslieder zusammengetragen. Doch da es sich um englische Literatur handelte, war es nicht so einfach, die Bücher zu bekommen. Viele Stücke sind um die 200 Jahre alt und vorwiegend aus dem anglo-amerikanischen Raum, aber es gibt tatsächlich auch französische Shantys. Allerdings singen wir mit dem Shanty-Chor nur englische, da französische Lieder noch schwerer einzustudieren sind, wenn man die Sprache nicht beherrscht.


„Wir genießen jeden Auftritt, ob im kleinen Kreis oder auf einer großen Bühne.“


Wie lernen Sie denn neue Songs?

Ich singe und spiele das Lied auf der Gitarre vor. Da viele unserer Chormitglieder weder Englisch noch nach Noten singen können, wiederholen wir das Vor- und Nachsingen – solange, bis es sitzt. Wenn es dann klingt, sind alle mit Begeisterung dabei. Und irgendwie schaffen wir es immer.

Bremer Shanty-Chor
In einem jährlichen Seminar in Wremen lernt der Bremer Shanty-Chor neue Lieder, indem Christian Preiss-Daimler sie vorsingt. Bremer Shanty-Chor

Einstudiert werden die Lieder drei- bis vierstimmig. Jeder entscheidet sich für die Tonlage, die er gern singen möchte, und so finden sich die verschiedenen Stimmen zusammen. Neue Stücke üben wir am liebsten bei unserem zweitägigen Seminar in Wremen, das wir einmal im Jahr veranstalten. Dann können wir uns so lange und ungestört an einem neuen Lied versuchen, wie wir wollen. Danach braucht es meist noch drei Monate Feinschliff, bis es auftrittsreif ist.

Wann und wo kann man den Bremer Shanty-Chor das nächste Mal live erleben?

Auftritte haben wir von Emden über Papenburg bis Travemünde – und natürlich in Bremen. Wir genießen jeden Auftritt, ob im kleinen Kreis oder auf einer großen Bühne. In diesem Jahr sind wir unter anderem wieder bei den „Emder Matjestagen“ im Juni mit von der Partie. Einer unserer schönsten Auftritte war übrigens ein Wohnzimmerkonzert anlässlich eines Geburtstages. Vor einem sechsköpfigen Publikum haben wir in der guten Stube gesungen. Wir hatten sehr viel Spaß, da das Geburtstagskind und seine Gäste ausgelassen mitgeschmettert haben.


Die nächsten Auftritte des Bremer Shanty-Chors 2023:

  • 2.4.2023, ab 12.00 Uhr: „Street Food Festival“, Ansgarikirchhof Bremen
  • 25.5.2023, 15.30-17 Uhr: Begegnungsstätte im Hanna-Harder-Haus, Berliner Freiheit 9C
  • 3.6.2023, 10-19 Uhr: „Emder Matjestage“
  • 10.6.2023, ab 19.30 Uhr: „Maritimer Abend“ im Dorphus in Lunestedt
  • 22.9.2023, ab 19 Uhr: „Konzert des Jahres“ im Klatte-Hoff Bremen-Oberneuland
  • 14.10.2023, ab 11 Uhr: „Shanty-Chor-Festival“ in Stade rund um den Stadthafen
  • 23.11.2023, 15.30-16.30 Uhr: DRK-Residenz Am Wandrahm 40-43, Bremen

Wer Lust zum Singen hat, kann gern selbst Chorluft schnuppern. Die Sänger und Sängerin freuen sich über jede weitere Verstärkung. Die Proben finden immer donnerstags von 19 bis 21 Uhr im Nachbarschaftstreff Vahrer See (AWO Begegnungsstätte) in der Vahr statt, Berliner Freiheit 9c – hinter dem Aalto Hochhaus.

Weitere Informationen gibt es unter www.bremer-shantychor.de.

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Von Daniela Conrady

Ich arbeite seit über 20 Jahren als freie Journalistin und liebe es, Menschen kennenzulernen und ihre Geschichten zu erzählen. Ich bin Mutter von vier Kindern und in meiner Freizeit am liebsten mit der Familie an der Nordsee unterwegs. Außerdem koche ich leidenschaftlich gerne.

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