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Zwei Junen halten sich die Hand vors Gesicht und strecken den anderen Arm aus
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Das Bremer Jungenbüro als starke Anlaufstelle

Unterstützung und Hilfsangebote für gewaltbetroffene Jungen* und junge Männer*

Das Bremer Jungenbüro leistet wertvolle Arbeit, um Jungen*, junge Männer* und ihre Unterstützer*innen in schwierigen Lebenslagen zu begleiten. Im Interview spricht Alex Sott, Sozialpädagoge und Systemischer Berater des Bremer Jungenbüros, über die Angebote, Ziele und Herausforderungen im Umgang mit Gewaltbetroffenen. Von individueller Unterstützung über präventive Maßnahmen bis hin zu geschlechtsspezifischen Konzepten – das Bremer Jungenbüro setzt sich dafür ein, Betroffene zu stärken, sie sichtbar zu machen und ihre Themen in den öffentlichen Diskurs zu bringen.


SPOT: Wie unterstützen Sie betroffene Jungen* und junge Männer*?

Alex Sott mit einer Dino-Handpuppe
Manchmal gehen die Fachleute spielerisch an das schwere Thema ran. Bremer JungenBüro

Alex Sott: Das Bremer Jungenbüro ist eine Informations- und Beratungsstelle für Jungen* und junge Männer*, denen sexuelle, körperliche oder seelische Gewalt angetan wurde. Bei uns werden die Betroffenen selbst sowie unterstützende Angehörige und pädagogische Fachkräfte beraten.

Gewaltbetroffene Jungen* und junge Männer* werden im Bremer Jungenbüro je nach ihren individuellen Bedarfen psychosozial begleitet und unterstützt. Vor allem bieten wir ihnen entlastende und stabilisierende Gespräche in unserer Beratungsstelle an. Wobei nicht nur geredet wird. Gerade bei jüngeren Jungen* haben die Beratungen oft einen spielerischen Charakter. Neben den Einzelberatungen gibt es für Jungen*, die von Mobbing betroffen sind, zudem Selbstbehauptungskurse. Dort lernen die Jungen* in einem geschützten Raum mit und voneinander und machen gemeinsame positive Gruppenerfahrung. Durch die Beratung von unterstützenden Angehörigen und Fachkräften versuchen wir zudem, die Jungen* indirekt zu unterstützen.

Was tun Sie, um Jungen* frühzeitig zu schützen?

Zunächst einmal versuchen wir, die Jungen* selbst zu stärken, durch Präventionsangebote, die wir selbst gestalten oder in Kooperation mit anderen Trägern durchführen. Zudem versuchen wir, durch Fortbildungen und Schulungen Fachkräfte für das Thema Gewaltbetroffenheit von Jungen* zu sensibilisieren, damit diese gewaltbetroffenen Jungen* leichter erkennen und kompetenter begleiten können.


„Viele Jungen* denken, dass sie allein sind, mit dem, was sie erlebt haben.“


Warum braucht es spezielle Angebote für Jungen*?

Ein grundsätzliches Anliegen unserer Beratungsstelle ist es, Jungen* als Betroffene von Gewalt sichtbar zu machen, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass sie als solche überhaupt wahrgenommen und unterstützt werden. Insbesondere im Bereich sexualisierter Gewalt wurden Jungen* lange Zeit nicht als Opfer erkannt. Dies hat sich erst 2010 mit dem Beginn der Offenlegung des Missbrauchsskandals in Kirchen und Internaten langsam verändert. Aber noch immer werden Jungen* primär als (potenzielle) Täter und nicht als (mögliche) Opfer gesehen.

Ein weiteres Argument für spezialisierte Angebote für männliche Gewaltopfer ist, dass Jungen* sich selbst auch nicht als Opfer und als hilfebedürftig wahrnehmen möchten, weil dies nicht ihrem männlichen Selbstbild entspricht. Weil sich relativ wenig Jungen* mit ihren Opfererfahrungen zeigen und im öffentlichen Diskurs auch wenig sichtbar werden, denken viele Jungen*, dass sie allein sind, mit dem, was sie erlebt haben. Dann fragen sie sich, ob sie überhaupt ein richtiger Junge* sind, wenn sie so etwas erlebt haben oder zumindest nicht alleine damit klarkommen. Das wollen wir ändern! Wir wollen mit unserer spezialisierten Beratungsstelle Jungen* signalisieren: „Du bist nicht alleine, viele Jungen* erleben Gewalt!“ und „Hilfe holen ist mutig!“ Außerdem halten wir es für sehr sinnvoll, Jungen* auch bei der Verarbeitung von Gewalterfahrungen geschlechtsreflexiv zu unterstützen und zu entlasten – zum Beispiel mit den eben genannten Botschaften.


„Das Sprechen über diese ,typisch männlichen‘ Schuldgefühle ist schwierig.“


Räumlichkeiten des Bremer JungenBüro in der Innenstadt
Die Räumlichkeiten des Bremer Jungenbüro ist ein geschützter und sicherer Raum für alle, die dort Hilfe suchen. Bremer JungenBüro

Welche Schwierigkeiten haben Jungen* beim Reden über Gewalt?

Vorab: Jungen* haben keine Probleme damit, über Gewalt zu reden – zumindest, solange sie nicht die Opfer sind. Wenn es aber um eigene Erfahrungen als Gewaltopfer geht, tun sich tatsächlich viele Jungen schwer. Denn Jungen* lernen sehr früh, dass bestimmte Gefühle, die mit Opfererfahrungen verknüpft sind, „nicht männlich“ sind. Dazu gehören unter anderem Angst, Traurigkeit, Ohnmacht oder Hilflosigkeit. Da sie diese Gefühle natürlich trotzdem verspüren, versuchen sie, sie zu ignorieren, zu verdrängen oder sie lernen, sie abzuspalten oder auf andere zu projizieren. Dies führt dazu, dass ihnen diese Gefühle fremd werden und dass ihnen zum Teil sogar die Sprache für diese Gefühle fehlt. Das macht das persönliche Gespräch über eigene Gewalterfahrungen schwierig. Zudem leiden Jungen*, die Gewalt erfahren, häufig unter Schuldgefühlen. Sie fragen sich beispielsweise „Warum konnte ich die Gewalt nicht verhindern?“ oder „Bin ich nicht wehrhaft genug?“. Das Sprechen über diese „typisch männlichen“ Schuldgefühle ist schwierig, weil sich die Vorstellung darüber zu sprechen für die Jungen* teilweise wie eine zweite Niederlage anfühlt.

Welche Ziele und Projekte planen Sie für die Zukunft?

Zunächst einmal wünschen wir uns, dass wir unser hilfreiches Angebot für Jungen* auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erhalten können. Hierbei sind wir neben der öffentlichen Förderung auch auf Spenden angewiesen. Des Weiteren hoffen wir, dass wir unser bestehendes Präventionsangebot für Jungen* weiter verbessern können. So wollen wir in Zukunft noch stärker auf Peer-to-Peer-Konzepte setzen, weil unsere Erfahrung zeigt, dass Freunde und Freundinnen oft die ersten Ansprechpersonen sind, an die sich von gewaltbetroffenen Jungen* wenden.

(Jungen* sind sehr verschieden und nicht alle Menschen definieren sich als männlich oder weiblich. Das Sternchen* hinter Jungen* und Männer* wird verwendet, um diese Vielfalt abzubilden. Dazu zählen trans*, inter*, non-binäre* Personen und alle anderen.)

Weitere Informationen und Details zu den Angeboten gibt es auf der Website des Bremer Jungenbüros.

Jemand braucht Hilfe oder wen zum Reden?

Die Nummer gegen Kummer bietet anonym und kostenlos Unterstützung: ☎️ 116 111 für Kinder und Jugendliche 📞 0800 111 0550 für Eltern Mehr Informationen gibt es auf der Website.

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Von Sarah Meyer

Als waschechtes Küstenkind liebe ich alles, was der Norden zu bieten hat. Vor einigen Jahren zog es mich von der Wurster Nordseeküste in die Hansestadt – und jetzt schlägt mein Herz für die Weser.

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