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Institut für niederdeutsche Sprache: Wi snackt Platt
Tjark Worthmann

Platt lebt: Wie das Institut für niederdeutsche Sprache die Region verbindet

Sprachkultur bewahren, Zugänge schaffen – ein Ort für Plattdeutsch im Bremer Schnoor

Ob in alten Liedern, auf Theaterbühnen oder als Alltagssprache in manchen Familien – Plattdeutsch gehört zu Norddeutschland wie das Meer zum Horizont. Damit die Sprache nicht nur in Erinnerungen weiterlebt, engagiert sich das Institut für niederdeutsche Sprache (INS) mit Sitz in Bremen seit Jahrzehnten für die Förderung und Pflege des Niederdeutschen.

Institut für niederdeutsche Sprache: Bibliothek
Über 45.000 Medienarten sind im Institut zu finden. Tjark Worthmann

Heiko Block, der Vorsitzende des Trägervereins, stieß Ende 2017 zum Institut. Er bringt eine tiefe biografische Verbindung mit: „Ich bin aufgewachsen in einem kleinen Dorf in der Nähe von Winsen (Luhe). Und da habe ich Plattdeutsch gelernt.“ Über Stationen in Kiel und Schwerin landete er schließlich in Bremen, was seine Sprache prägte: „Also insofern hat sich das Platt gemischt. Da eignet man sich einfach Dinge an, sowohl vom Wortschatz her als auch in der Aussprache, ohne dass man das wirklich merkt.“

Eine Bibliothek als Herzstück und Forschungsstätte

Das Institut für niederdeutsche Sprache sitzt mitten im Schnoor, Bremens ältestem Viertel. Es ist bekannt für seine engen Gassen und bunten, eng aneinandergereihten Häuser. Inmitten von so viel Geschichte lagert auch ein besonderer Schatz des Instituts: Es ist die weltweit größte Fachbibliothek für Niederdeutsch. Hier finden sich historische Werke und zeitgenössische Literatur – mehr als 45.000 sogenannte Medieneinheiten. Heiko Block betont die Bedeutung dieser literarischen Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht: „Dass Plattdeutsch als Literatursprache anerkannt wurde, geht maßgeblich auf Autoren wie Klaus Groth und Fritz Reuter im 19. Jahrhundert zurück. Sie haben Impulse gesetzt, die im Prinzip so bis heute reichen.“

Plattdeutsche Bibliothek Schnoor Bremen
Die Plattdeutsche Bibliothek im Bremer Schnoor

Mitten im Bremer Schnoorviertel verbirgt sich ein kultureller Schatz: die Plattdeutsche Bibliothek für niederdeutsche Sprache. Seit über 50 Jahren sammelt, bewahrt und zeigt sie alles rund ums Plattdeutsche – von historischen Romanen bis hin zu Schallplatten und Videokassetten. Geleitet wird sie von Nele Otten, die sich mit viel Leidenschaft für den Erhalt und die Vermittlung der plattdeutschen Sprache einsetzt.

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Die Krise der Weitergabe: Plattdeutsch an Schulen

INS Bremen: Heiko Block vor einem Bücherregal
Heiko Block zeigt seine Lieblingsbücher in der plattdeutschen Bibliothek: die Geschichten über Ottjen Alldag vom Bremer Schriftsteller Georg Droste (1866 bis 1935). Linda Bussmann

Ein zentrales Anliegen des INS ist die Verankerung der Sprache im Bildungssystem. Doch hier zeigt sich ein starkes regionales Gefälle. Während Heiko Block für Bremen ein eher kritisches Zeugnis ausstellt, gibt es in anderen Bundesländern Fortschritte: „In Bremen ist es ganz, ganz flau. Hier gibt es nur in Schönebeck eine plattdeutsche Schule. Die Lehrkräfte dort leben die plattdeutsche Sprache. Es gibt sogar ein kleines Schulradio mit eigenen Beiträgen. Dort kann man beobachten, dass die Sprache tatsächlich auch in die Familien getragen werden. In Schleswig-Holstein ist es deutlich mehr. Da sind es inzwischen ungefähr 60 Schulen, mittlerweile auch Gymnasien. Dasselbe gilt in Niedersachsen mit mindestens 75 Schulen.“

Besonders hebt er Mecklenburg-Vorpommern hervor, wo man inzwischen sogar im Fach Niederdeutsch Abitur machen kann. Für Block ist dieses Angebot essenziell, da die natürliche Weitergabe in den Familien oft unterbrochen ist: „Ich habe mit meinen Kindern leider auch kein Plattdeutsch gesprochen. In der Ereigniskette ist das an sich das große Problem: die Weitergabe der Sprache und das Erleben von Sprache – denn nur Schulunterricht reicht nicht aus.“

Finanzierung und Mitglieder: Ein Verein als Träger

Institut für niederdeutsche Sprache: Kalender
Der plattdeutsche Kalender „Wöör mit Wutteln“ hatte in diesem Jahr eine Auflage von 4500 Stück. Nicht nur nach Norddeutschland, sondern bis nach England, in die USA und nach Indonesien hat das INS Exemplare verschickt. Linda Bussmann

Die wirtschaftliche Basis des Instituts hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Nach dem Wegfall der Länderfinanzierung trägt sich das INS heute über eine Mischung aus öffentlicher Projektförderung, Dienstleistungen und privatem Engagement. Heiko Block erläutert die Situation der Mitglieder: „Wir haben im Prinzip als Eigenmittel des Vereins lediglich die Mitgliedsbeiträge. Wir haben gut 300 Mitglieder, die alle ihren Beitrag zahlen, aber da kommen dann knapp 10.000 Euro zusammen.“

Zusätzliche Mittel fließen durch Gutachten für plattdeutsche Ortsnamen oder die bundesweite Kalenderaktion ein: „Nur damit können wir mal gerade so den Betrieb des Hauses und die Heizungskosten finanzieren.“ Hinzu kommen Zuschüsse für Projekte. Laut Block sind dies rund 40.000 Euro im Jahr. Die Zahlung nutzt das INS in diesem Jahr für das neue Angebot „Literaturorte – Wo Norddeutsch zu Hause ist“. Die Website ist erst kürzlich online gegangen. Eine interaktive Karte bietet Biografien, Bilder und vielfältige Informationen zu Gedenkstätten und Geburtsorten von Autorinnen und Autoren.

Das INS rückt zusammen

Um die Betriebskosten gering zu halten, verkleinert sich das INS jetzt räumlich. Das Institut hat seinen Sitz bisher in gleich vier der kleinen Schnoor-Häuschen. Drei Häuser stehen derzeit zum Verkauf. „Das größte werden wir behalten“, so Block. „Wir machen das, um Geld zu bekommen, um dieses Haus und die Bibliothek zu erhalten und darüber hinaus vielleicht ein bisschen mehr in die Arbeit stecken zu können.“

Institut für niederdeutsche Sprache: Eingang zum INS
Wenn es das Wetter zulässt, steht nicht nur die Tür offen für Besucherinnen und Besucher, sondern auch die umfangreiche Bibliothek des INS. Linda Bussmann

Da die vielen Bücher dann zusammenrücken müssen, ist es notwendig, den Medienbestand zu verkleinern. „Einerseits ist es schade – andererseits beeinträchtigt es nicht die Qualität, weil wir viele Bücher doppelt haben“, erklärt Block. „Von einigen Autorinnen und Autoren haben wir zudem verschiedene Ausgaben von einem Buch. Wir werden den Bestand an ein Magazin geben und haben dann weiterhin Zugriff darauf.“

Ein kritischer Blick auf die Bremer Politik

Trotz der tiefen Verwurzelung des Instituts im Bremer Schnoor spart Heiko Block nicht mit deutlicher Kritik an der aktuellen politischen Lage in der Hansestadt. Während andere Bundesländer die Verpflichtungen aus der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen aktiver umsetzen, sieht er in Bremen ein Defizit an staatlichem Engagement: „Was ich besonders in Bremen kritisiere, ist, dass es anders als in allen anderen Bundesländern eben letztendlich überhaupt keine staatliche Initiative gibt. Auch die Schulbehörde und die Kulturbehörde sind von sich aus nicht aktiv. Eigentlich ist Bremen genau wie alle anderen Bundesländer verpflichtet, von sich aus zu handeln und Angebote zu machen. Aber das macht Bremen nicht.“

Die Projekte: Plattdeutsch im 21. Jahrhundert

Das Institut für niederdeutsche Sprache beweist, dass Tradition und Moderne kein Widerspruch sind. Hier sind die wichtigsten Angebote im Überblick:

Fazit: Einfach versuchen

Trotz politischer Hürden bleibt das INS im Schnoor ein lebendiger Ort der Begegnung. Wenn die Tür offensteht, kommen die Menschen – ob Touristinnen und Touristen oder Einheimische. Heiko Blocks Appell ist klar: Man sollte die Sprache nicht nur erforschen, sondern leben. „Heutzutage sollte man, wenn man irgendwie eine Neigung dazu hat, einfach versuchen. Versucht macht klug.“

Das Institut für niederdeutsche Sprache ist im Schnoor 41-43 in der Bremer Altstadt zu finden. Sprechzeiten: dienstags bis donnerstags 10 bis 14 Uhr – und darüber hinaus immer, wenn die Tür offensteht.

Plattdeutsch lernen
Fast die ganze Welt snackt Platt

Die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Menschen in Deutschland trifft, der gar kein Wort Plattdeutsch spricht, ist sehr unwahrscheinlich. Schließlich haben viele bei einer Begrüßung bestimmt einmal das Wort „Moin“ auf den Lippen gehabt. Dieses Grußwort tauchte wohl erstmals 1924 in einem ostfriesischen Hauskalender auf und gilt heute als eine beliebte Abwandlung des etwas angestaubten „Hallo“. Doch die plattdeutsche Sprache hält noch mehr sprachliche Perlen versteckt.

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Beo Plattdeutsch App
Sprachlern-App BEO hilft, Plattdeutsch zu sprechen

Plattdeutsch im Gespräch verstehen – das klappt bei vielen Menschen in Bremen und der Umgebung meist noch ganz passabel. Doch wenn es an die Umsetzung der Sprachkenntnisse ins wirkliche Sprechen geht, ist oft Unterstützung bei der Aussprache der Worte nötig. Praktische und schnelle Abhilfe schafft seit Ende 2024 die Sprachlern-App BEO, die in allen gängigen App-Stores zu finden ist.

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Plattdeutscher Audioguide: Stadtentdeckerinnen auf dem Bremer Marktplatz
Plattdeutscher Audioguide für Erkundungstour

„Op Platt dörch de Bremer Binnenstadt!“ lautet der Titel des Audioguides, der im Länderzentrum für Niederdeutsch (LzN) entstanden ist. Das länderübergreifende Institut setzt sich für den Schutz und den Erhalt der plattdeutschen Sprache ein. Die Stadtführung erfolgt mithilfe der Bremer Stadtmusikanten. Der Audiowalk ist komplett auf Niederdeutsch gehalten. Esel, Hund, Katze und Hahn sprechen dabei sehr langsam und verständlich.

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Dieser Beitrag ist Teil unseres Themenspecials „Vereine in Bremen“. Sind Sie interessiert an mehr Artikeln dieser Art? Schauen Sie sich unsere Sammlung von Beiträgen rund ums Thema an.

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Autorenbild Linda Bussmann

Von Linda Bussmann

Ich bin eine waschechte Ostfriesin und überzeugte Norddeutsche. Vor vielen Jahren zog es mich in die Hansestadt. Bremen ist seitdem meine zweite Heimat geworden.

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