
Stadtteilentwicklung: Grohn wird aus dem Dornröschenschlaf geweckt
Mit Steingut-Quartier und Constructor University geht der Ort in die Zukunft
Grohn ist ein Ortsteil, den nur sehr wenige Bremer kennen. Zwar ist er wegen der Grohner Düne immer mal wieder in aller Munde, doch das Hochhaus-Ensemble ist nur ein kleiner Teil von Grohn. Tatsächlich ist der Ortsteil außergewöhnlich vielfältig und ein attraktiver Ort zum Leben direkt an der Lesum. Das werden in den nächsten Jahren viele neue Anwohnerinnen und Anwohner selbst entdecken, denn in Grohn erstreckt sich mit dem Steingut-Areal eines der größten Baugebiete Bremens.
Spannender Rundgang durch Grohn
Wer nach einem schönen und spannenden Ziel für den Sonntagsspaziergang sucht, der sollte Bremen-Grohn ansteuern. Der Ortsteil von Vegesack grenzt auf einer Seite an die Fußgängerzone von Vegesack, auf der anderen Seite an den Ortsteil St. Magnus mit dem bekannten Knoops Park. An der dritten Seite – die Fläche von Grohn ähnelt einem Dreieck – endet das Viertel an der Lesum. Und das ist nur einer der Gründe, warum dieser Ortsteil Bremen-Nords so lebenswert ist.
Entlang der Lesum lässt sich die Gegend am besten erkunden. Wie der Straßenname „Am Wasser“ schon sagt, spaziert man dort am Fluss und kann über die Wohnhäuser staunen, die den Lesumhang hinauf gebaut sind. Prächtige, teils historische Villen wechseln sich mit Einfamilienhäusern ab. Dazwischen schlängeln sich schmale, steile Pfade die Lesum-Düne hoch und weiter in das ruhige Wohnviertel hinein. Malerische Ausblicke über die Lesum und auch über die Weser gibt es beim Spazieren inklusive. Denn die beiden Flüsse fließen am Vegesacker Hafen zusammen. Aufgrund dieser Lage ist Grohn seinerzeit entstanden – als kleines Fischerdorf.
Grohn war ehemals ein Fischerdorf – Das Maritime ist überall zu spüren

Jede Menge maritimes Flair verströmt auch heute noch der Grohner Yachthafen, wo während der Boots-Saison zahlreiche Schiffe von Hobbyskippern aus Nah und Fern an den Stegen liegen. An der Lesum haben auch Wassersportvereine ihre Domizile, befinden sich kleine gastronomische Betriebe und Bootsschuppen. Das Haus Seefahrt, der Ruhesitz für Kapitäne und ihre Familien, thront auf der Lesum-Düne. Die altehrwürdige Einrichtung aus Grohn veranstaltet jedes Jahr das berühmte Bremer Schaffermahl.
Zu Fuß gelangt man von der Straße am Yachthafen bis zum Vegesacker Museumshafen, wo das Vegesacker Geschichtenhaus und die kleine Shoppingmall Kontor zum Alten Speicher zu finden sind. Letztere gehört zu Grohn, ebenso wie das nahe gelegene Hochhausensemble der Grohner Düne.
In den 570 Wohnungen leben unter anderem Zugewanderte aus verschiedenen Nationen. Verschiedene Förderungen im Rahmen des Programmes Soziale Stadt wurden für die Bewohnerinnen und Bewohner der in den 1970er-Jahren gebauten Hochhäuser aufgelegt. Bei einem Spaziergang durch Grohn erlebt man also eine enorme Vielfalt an Lebensstilen – von historischen Kaufmannsvillen bis hin zum sozialen Wohnungsbau. Die Anwohnerschaft zählt ingesamt rund 6300 Köpfe.
Bremens erste Klimasiedlung entstand in Grohn
Aktuelle Bauprojekte wecken Grohn zurzeit immer mehr aus seinem Dornröschenschlaf und rücken das schöne Viertel verdientermaßen in den Fokus positiver Aufmerksamkeit. Den Auftakt machte vor wenigen Jahren das Tauwerk-Quartier, Bremens erste Klimaschutzsiedlung auf dem 32.000 Quadratmeter umfassenden Gelände der ehemaligen Grohner Tauwerk-Fabrik. Dort baute der Nordbremer Investor M-Projekt Wohnhäuser, die hohen energetischen Standards entsprechen. Auch dank eines eigenen Blockheizkraftwerks mit Nahwärmenutzung bleiben die CO2-Emissionen dieser neuen Siedlung besonders niedrig.

Gleich nebenan wird nun erneut gebaut. Auf dem 19.000 Quadratmeter großen, ehemaligen Betriebsgelände des bekannten Herstellers für Badtextilien „Kleine Wolke“ wächst das Projekt Bunte Wolke heran. Einfamilien- und Reihenhäuser sollen nach Angaben von M-Projekt dort errichtet werden. Ein ehemaliges Gebäude der Kleinen Wolke wird für Gewerbe, Büros, Gastronomie, Mietwohnungen und Short-Stay-Apartments umgenutzt. Der Baubeginn soll aller Voraussicht nach Mitte 2023 erfolgen.
Auf diese Weise wird sicher auch die Friedrich-Humbert-Straße wiederbelebt, die als heimliche Hauptstraße des Viertels gilt. Denn dort haben sich einige Geschäfte des täglichen Bedarfs, Gastronomie und andere Betriebe angesiedelt. Auch die sehenswerte evangelische Kirche St. Michael, die in neogotischer Bauweise errichtet ist, gibt es dort zu bestaunen.
Neues Hafen-Areal und Kontor im alten Speicher
Viele Jahre prägte die zuletzt leer stehende Shoppingmall Haven Höövt die Optik am Museumshafen. Doch das ist Vergangenheit. Investor Max Zeitz von der 2P Projektentwicklung GmbH aus Mannheim hat die Entwicklung des Geländes übernommen. Das ehemalige Haven Höövt wurde bereits deutlich verkleinert, modernisiert und 2019 als Kontor Zum Alten Speicher wiedereröffnet. Und das soll nur der Anfang gewesen sein.
Mit Spannung blicken die Nordbremerinnen und Nordbremer nun auf die Bauarbeiten auf dem restlichen Gelände am Museumshafen, die Grohn noch einmal bunter und vielfältiger machen sollen. Denn dort realisiert der Investor auf rund 15.000 Quadratmetern das Speicherquartier mit Wohnen und Gewerbe, Kita, Senioren-Domizil, Hotel und mehr. Die Gebäude erinnern in ihrer Gestaltung mit schrägen Sheddächern und Klinkerfassaden an die Speicher, Schuppen und Packhäuser, die früher die Hafengebiete prägten. Zurzeit erstreckt sich auf dem Gelände eine riesige Baustelle, doch die Bauarbeiten sollen 2023 beginnen.
Das Steingut-Quartier ist eines der größten Bauprojekte in Bremen
Wer den Begriff Grohn in Internetsuchmaschinen eingibt, der findet nicht als erstes Informationen über den Vegesacker Ortsteil, sondern landet auf der Homepage des Fliesenherstellers Steuler Fliesengruppe AG. Das liegt daran, dass seit 1869 in Grohn eine Fliesenfabrik ansässig war, die Norddeutsche Steingut. Viele Bremerinnen und Bremer haben die schönen Wand- und Bodenfliesen des Nordbremer Traditionsbetriebes zu Hause. Erst 2021 ging die Norddeutsche Steingut in der Steuler Fliesengruppe vollständig auf und die Produktion von Feinsteinzeug wurde endgültig nach Bremerhaven verlegt.
Das rund 100.000 Quadratmeter große Gelände der Norddeutschen Steingut wurde damit frei für eine Neuentwicklung. Die Immobilien- und Architekturunternehmen M-Projekt und die Procon Realisierungsgesellschaft haben sich zusammengetan und das Areal erworben. In einem städtebaulichen Architekturwettbewerb wurde der Siegerentwurf gekürt. Auf dem riesigen Areal soll ein ganz neues Viertel zum Leben, Arbeiten, Einkaufen und Lernen mit Platz für rund 1000 Menschen entstehen. Der Entwurf sieht Mietwohnungen, Reihenhäuser, Seniorenwohnen, Büroflächen, Handwerksbetriebe, Parkhäuser, eine Markthalle, Gastronomie, Sporteinrichtungen, eine Schule und eine Kita, Gärten und öffentliche Grünflächen mit Spielplätzen vor.
An die große industrielle Geschichte der ehemaligen Norddeutsche Steingut sollen nach dem Willen der Planerinnen und Planer zwei Industrieschornsteine erinnern, die dekorativen Zwecken dienen. Auch werden die Bauten teilweise mit Sheddächern und Klinkerfassaden ausgestattet. Doch noch steckt das Vorhaben in den Kinderschuhen und es muss erst die baurechtliche Grundlage geschaffen werden. Wenn alles nach Plan verläuft, kann der Baubeginn Mitte 2023 erfolgen.
Wissenschaftliche Impulse durch die Constructor University
Die große Vielfalt von Grohn wird zusätzlich durch Bremens private Universität bereichert: die Jacobs University, die sich kürzlich in Constructor University umbenannt hat. Sie versteht sich als englischsprachige Campusuniversität mit höchsten Ansprüchen in Forschung und Lehre. Aus der ganzen Welt kommen junge Leute nach Bremen-Grohn, um an der Constructor University zu studieren. Rund 1800 Studierende leben gemeinsam in Wohnheimen auf dem malerischen Universitätscampus. Dieser erinnert mit seinen historischen Gebäuden und dem grünen Gelände an britische und US-amerikanische Elitecolleges.
Die Jacobs Foundation investierte 2006 die enorme Summe von 200 Millionen Euro in die Bildungseinrichtung in Vegesack-Grohn – die bis dahin größte private Spendensumme in Europa zugunsten einer Universität. Nach dem Rückzug der Jacobs Stiftung fand man mit Dr. Serg Bell einen neuen Investor, der der Universität eine Ausrichtung hin zu IT und neuen Technologien geben will.
Serg Bell ist ein Geschäftsmann aus Singapur und der Schweiz, der das Wissenschaftsunternehmen Constructor-Group betreibt. Dieses widmet sich unter anderem Themen wie Maschinenintelligenz, Quantentechnologie, intelligente Materialien, hybride Realitäten und life engineering. Auch mehrere weltweit agierende IT-Firmen werden von Serg Bell geleitet – darunter Acronis, ein Unternehmen für Cybersicherheit. Man darf gespannt sein, ob das kleine Bremen-Grohn künftig für seine digitale und technologische Exzellenz in aller Welt bekannt sein wird.
