Stadtteilentwicklung: Die Überseeinsel vereint Industriecharme mit urbanem Leben
Das Industrieerbe von Kellogg‘s und Co bleibt in Teilen erhalten
In unserer Reihe zur Stadtteilentwicklung geben wir Einblick in die verschiedenen Quartiere Bremens. Dieses Mal geht es um die Überseeinsel in der Überseestadt. Dort soll auf dem ehemaligen Kellogg‘s-Gelände ein ganz neues Quartier entstehen.
Der rote Schriftzug mit den geschwungenen Buchstaben hat für wohl alle Bremerinnen und Bremer einen hohen Wiedererkennungswert: „Kellogg‘s“ prangt über den runden Silos. Einige Zeit ist nach der Schließung des Standorts 2017 wenig von außen Sichtbares passiert. Nun aber wird das Potenzial des früheren Industriegeländes und des umliegenden Areals erschlossen. Dort entsteht nach den Plänen der Überseeinsel GmbH ein gänzlich neuer Stadtteil, ein Quartier zum Arbeiten, Wohnen und Leben.
Rund 60 Prozent der 15 Hektar großen Fläche sind dafür bereits verplant. Dieser erste Abschnitt soll bis 2026 fertiggestellt sein. Doch was wird von dem industriellen Erbe übrigbleiben? „Wir haben uns auch diese Frage gestellt“, sagt Johannes Aderholz, Geschäftsführer der Überseeinsel GmbH. „Schließlich kennen die meisten Bremerinnen und Bremer das Gelände. Daher stand von Anfang an im Raum, dass wir möglichst viele der bestehenden Gebäude übernehmen.“ Fünf werden im ersten Abschnitt erhalten und umgebaut: das Silo, das Reislager, das Gebäude 25 (Flakes-Fabrik genannt), eine größere Lagerhalle sowie das ehemalige Hauptverwaltungsgebäude.
Ein buntes und lebenswertes Quartier für alle
Die Zielgruppen für das Wohnraumangebot der Überseeinsel sind im ersten Abschnitt ebenso vielfältig wie die weitere Planung. Einerseits geht es um Studierende und Auszubildende. Für Letztere sind auch Kooperationen mit Unternehmen geplant, die Unterkünfte für ihren Firmennachwuchs bereitstellen. Andererseits stehen ältere Menschen im Fokus, für die ein eigenständiges Wohnen mit entsprechenden Services angeboten wird. „Darüber hinaus sprechen wir in Miet- und Eigentumswohnungen breite Nutzergruppen an“, ergänzt Johannes Aderholz. Von den etwa 600 Wohnungen werden 25 Prozent öffentlich gefördert. Dazu kommt Gewerbe – vom Hauptsitz eines Großkonzerns bis zur 20 Quadratmeter großen Töpfereiwerkstatt.
Es sei bei den Planungen von Anfang an sehr wichtig gewesen, dass die Überseeinsel kein geschlossenes Quartier wird. „Ganz im Gegenteil sind alle dazu eingeladen, dort nicht nur zu wohnen und zu arbeiten, sondern auch ihre Freizeit zu verbringen.“ Dafür gebe es zahlreiche Möglichkeiten, zu verweilen – neben unterschiedlichen gastronomischen Angeboten beispielsweise großzügige Grünanlagen, ein Eislauffläche, ein Sport- und Freizeitzentrum, ein Schwimmbad sowie ein Kilometer Weserlinie, der wieder zugänglich gemacht wird.
Der Leitgedanke des Projekts laute: „Die Menschen, die dort sind, gestalten den Raum – und nicht andersherum. Dabei konnten wir auch von den Erfahrungen aus der bisherigen Entwicklung der Überseestadt profitieren.“ Wichtig seien bei den Überlegungen daher auch die Infrastruktur, eine Bildungskomponente durch die Schule, die medizinische und die Nahversorgung genauso wie Kultur, Gastronomie und Aufenthaltsqualität. „Durch diese spannende Durchmischung entsteht dann ein buntes und lebenswertes Quartier.“
Kellogg-Quartier
Zwischen der Innenstadt und dem Europahafen, also am Eingang der Überseeinsel, liegen die zukünftigen Kellogg-Höfe. Viele der Gebäude dort sollen bestehen bleiben. Dazu gehören etwa das Reislager, das Silo und die Flakes-Fabrik. „Gemeinsam bilden sie das Herz in der Mitte des neuen Quartiers“, erklärt Johannes Aderholz. Ein Umbau sei einerseits nachhaltiger als Abriss und Neubau. Andererseits bleibe so auch viel von dem Flair und der Atmosphäre des Industriegeländes erhalten. Geplant sind unter anderem Gastronomie, innovative Geschäfte sowie Raum zum Wohnen und für Kultur.
Ins ehemalige Reislager zieht die Büning-Gruppe mit ihren über 200 Mitarbeitenden. Zudem kommt in dem Gebäude, das Ende 2022 fertiggestellt werden soll, eine Food-Hall unter. Das frühere Vitaminlager beherbert Konferenzräume, Bürolofts und ein Café. Lebensmittel stellen verschiedene Unternehmen in der Flakes-Fabrik her. Zudem sind darin Eigentumswohnungen geplant. Eine Lagerhalle wird in Kooperation mit einem Sportverein in ein Freizeitzentrum umgebaut. Bereits seit September 2020 in Betrieb ist eine Grundschule im ehemaligen Hauptverwaltungsgebäude, wo später noch ein Campus entstehen soll.
Silo-Hotel John & Will
Ebenfalls zum Kellogg-Quartier gehört das weithin sichtbare Silo mit dem roten Schriftzug. Es wird bis Ende 2022 in ein Hotel umgebaut. Dessen Name stammt aus einem Wettbewerb: John & Will, nach den beiden Brüdern Kellogg, die das Unternehmen gegründet haben.
Wo früher 4500 Tonnen Getreide pro Silo lagerten, finden sich zukünftig 116 Hotelzimmer. Lässig und stylish soll das Haus werden. Im Erdgeschoss wird es ergänzt um ein Café, im obersten Stockwerk beherbergt es ein Restaurant.
„Das Silo hat als Projekt eine gewisse Besonderheit“, so der Geschäftsführer der Überseeinsel GmbH. Daher wolle man auch möglichst viel davon erhalten, beispielweise die Silowände.
In den Zimmern solle später das Gefühl herrschen: Hier hat mal der Mais gelagert – allerdings natürlich mit heutigen technischen und energetischen Ansprüchen. „Das Design ist also reduziert, sodass man die eigentliche Industriearchitektur weiterhin wahrnimmt.“
Stephanitor
Zwei Plangebiete entstehen zwischen der Straße Auf der Muggenburg, der Weser und der Gemüsewerft: die Areale Stephani-Weserseite und Stephanitorhöfe.
Dieses Quartier mit dem Namen Stephanitor beherbergt zukünftig sowohl Unternehmenszentralen, Gewerbe, ein Gesundheitszentrum und eine Kindertagesstätte als auch etwa 600 Wohnungen.
Energie und Mobilität auf der Überseeinsel
Ein wichtiger Baustein der Überseeinsel ist das Energiekonzept, das auf nachhaltigen Quellen beruht. Sonne, Wind und Wasser kommen dort zum Einsatz. So werden durch Wärmepumpen, Photovoltaik- sowie Windenergieanlagen die CO2-Emissionen erheblich reduziert. Das Wasser der Weser wird in Energie umgewandelt, um die Gebäude zu beheizen und zu kühlen. „Aus wirtschaftlichen Aspekten wird in besonders langen Kälteperioden ein eigenes Blockheizkraftwerk zugeschaltet, sodass wir eine komplett autarke Versorgung erhalten“, sagt Johannes Aderholz.
Und auch in Sachen Mobilität setzen die Planerinnen und Planer auf Nachhaltigkeit. Fuß- und Radwege haben Priorität vor Straßen für Autos. Motorisierter Individualverkehr ist – zumindest oberirdisch – nicht vorgesehen. Zahlreiche sichere Parkplätze für Fahrräder und eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr helfen zusätzlich. Dazu kommen als alternative Mobilitätsangebote ein autonomes Shuttle, ein Lastenradverleih und ein Car-Sharing-Pool sowie unterirdische Parkgaragen mit kurzen Wegen. Dahinter stehe die Frage, wie man das Quartier besonders lebenswert macht, erläutert der Planer der Überseeinsel GmbH. „So können die Straßen auch mal zum Fußballspielen genutzt werden – oder für eine Partie Boccia.“