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Das historische Kahnschifferhaus in Bremen-Rekum von der Vorderseite
Kristina Bumb

Außergewöhnliche Sehenswürdigkeit: Das Kahnschifferhaus

Das Heimatmuseum erinnert an die Zeit der Weserkähne

Nur ein paar Schritte vom Weserdeich entfernt liegt das Rekumer Kahnschifferhaus. Das stimmungsvolle historische Gebäude beherbergt unter seinem Reetdach eine Ausstellung mit Stücken aus der örtlichen Seefahrtstradition sowie Einrichtungsgegenstände aus alten Zeiten. Vor allem möchte das kleine Museum an die Ära der Kahnschiffer erinnern, die vor mehr als 100 Jahren Waren über die Weser transportierten und das Leben in der Nordbremer Gegend prägten.

Spaziergang zum Kahnschifferhaus am Weserdeich

Weserdeich mit Bank und alter Boje beim Kahnschifferhaus
Das Kahnschifferhaus liegt unmittelbar hinter dem Weserdeich, der schöne Ausblicke bietet. Kristina Bumb

Schon am Kahnschifferhaus in Farge-Rekum entlangzuspazieren, ist ein Erlebnis. Das historische, rotgeklinkerte Gebäude mit kleinen Sprossenfenstern duckt sich unter einem gemütlichen Reetdach. Es liegt direkt hinter dem Weserdeich, der zu einer kleinen Wanderung einlädt. Zur einen Seite hinaufspaziert, gelangt man zu dem prachtvollen, riesigen Bauernhof, in dem das Jugendfreizeitheim Farge ansässig ist. Geht man zur anderen Seite immer auf oder am Deich entlang, kommt man zu einem Mahnmal von bundesweiter Bedeutung: den Denkort Bunker Valentin. Das dörfliche Rekum ist also durchaus ein geschichtsträchtiger Ort, den man als Bremerin oder Bremer einmal besucht haben sollte.

In dem Blumenthaler Ortsteil findet man neben dem Kahnschifferhaus mit der Adresse Unterm Berg 31 noch weitere dieser niedrig gebauten, reetgedeckten Höfe. Sie werden liebevoll gepflegt und sind privat bewohnt. Das kleine, maritime Museum am Weserdeich war früher ebenfalls ein Wohnhaus, bevor Familie Schwarze es dem Heimatverein Farge-Rekum und dem Schifferverein Rekum und Umgegend von 1919 zu einem kleinen Preis verkaufte. Beide Vereine zusammen schafften es, die Summe aufzubringen – und packten den Umbau an.

Kahnschifferhaus von 1800 sorgfältig restauriert

Das Kahnschifferhaus wird von der Seite gezeigt, man sieht einen kleinen Hof und eine Kopflinde mit Herbstlaub
Das reetgedeckte Rotklingergebäude und sein kleiner Vorgarten wirken stimmungsvoll. Kristina Bumb

Das gemütliche Zweiständerhaus war einst die typische Unterkunft eines Seemannes samt Familie. Der kleine Hof, der im Erdgeschoss eine Diele und kleinere Räume aufweist, wurde 1800 errichtet. 1992 übernahmen ihn die beiden Nordbremer Vereine und restaurierten ihn in fünfjähriger Arbeit im Sinne eines Heimatmuseums. Die Ehrenamtlichen und beteiligten Handwerksbetriebe nutzten viele alte Materialien und Handwerkstechniken. Historische Klinker wurden mit Muschelkalk verfugt, Eichenbalken, Witteburgfliesen und eine Haustür erhielten sie ebenfalls aus anderen, gleichaltrigen Bauwerken.

Außerdem gestalteten sie eine Ausstellung mit gesammelten Stücken aus der Heimat- und maritimen Geschichte des Bremer Nordens. Ein umfangreiches Archiv gehört ebenfalls zu den Errungenschaften. Besucherinnen und Besucher können nun eine Schifferwohnecke, die typische Butze eines Kahnknechtes, diverse Nautika, bäuerlicher Kleingeräte und eine museale Küche aus dem 19. Jahrhundert samt gemauerter Herdfeuerstelle und offenem Rauchabzug bestaunen.

Übrigens kann man das Kahnschifferhaus auch für Feiern in kleinerer Runde mieten. Außerdem führt das Bremer Standesamt dort jeweils am ersten Sonnabend des Monats Trauungen durch. Außerdem findet jedes Jahr ein gemütlicher Weihnachtsbasar statt.

Wie lebten die Weser-Kahnschiffer?

Bootsleute transportierten im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert in flachen Segelschiffen Waren über die Weser – von Bremerhaven nach Bremen. Wind und Gezeiten trieben die Schiffstypen Ewer oder Besankahn voran. In den Booten lagerten zum Beispiel Tabak, Kaffee, Tee, Getreide, Holz und später auch die Wolle aus der Bremer Wollkämmerei. Die Kahnschifferei war seinerzeit eine wichtige Einnahmequelle für die Menschen aus der Region. Erst nachdem die Weser begradigt sowie nach und nach vertieft wurde, nahm die Bedeutung dieser speziellen Binnenschiffe ab. Denn das Umladen von Waren auf kleinere Schiffe an der Wesermündung war nicht mehr unbedingt nötig.

Schifferverein: Früher Krankenkasse, heute maritime Traditionspflege

Weserdeich und Weser in Rekum von der Deichkrone aus fotografiert
Es gehört zum Charme der Nordbremer Stadtteile, dass man etliche Kilometer am Deich entlang spazieren kann. Kristina Bumb

Der Schifferverein Rekum und Umgegend ist übrigens nicht nur ein Zusammenschluss, der sich der Pflege der Heimathistorie widmet. Darüber hinaus ist er selbst Zeugnis der beschriebenen alten Zeiten. 1919 wurde er als eine Art Urform der Kranken- und Sterbekasse von Kahnschiffern aus der Region gegründet. Denn wenn es zu einem Unfall an Bord kam, bedrohte das die ganze Familie des Kahnschiffers in ihrer Existenz. Die Bootsleute aus Rekum und Umgegend gründeten den Verein, zahlten dort geringe Beiträge ein – und im Ernstfall erhielt die Familie einen Zuschuss zum Leben.

Die Kahnschiffer fuhren mit ihren Lastenseglern bis in die 50er-Jahre über die Weser. Nach der Weserbegradigung durch Franzius und mit dem Aufkommen größerer motorisierter Frachter schlief der Beruf allmählich ein. Der Schifferverein blieb den Familien jedoch erhalten und zahlte nach wie vor den Familien und Hinterbliebenen bei Bedarf eine finanzielle Unterstützung. Außergewöhnlich: Viele der heutigen Mitglieder im Verein haben selbst Wurzeln in dieser Schifffahrtstradition. Teils sind die jeweiligen Familien schon seit vier Generationen in dem Zusammenschluss.

Historisches Löschboot liegt im Vegesacker Museumshafen

Im Laufe der Zeit erfüllte der Verein aber eher eine soziale Funktion, diente vor allem der Geselligkeit und der Pflege der Schifffahrtstradition. Im Jahr 2000 beschlossen die Mitglieder, dass der Verein die Einrichtung der Kranken- und Sterbegeldkasse nicht mehr weiterführen und  sich stattdessen von nun an auf die Traditionspflege konzentrieren sollte.

2007 konnte der Schifferverein übrigens ein historisches Löschboot für den symbolischen Preis von 1 Euro erwerben. Das Schiff diente einst dazu, mit den an Bord befindlichen Wasserkanonen Brände in den Häfen von Seeseite her zu löschen. Die Rekumer Ehrenamtlichen retteten es vor der Verschrottung. Erneut gingen sie mit viel Eigenleistung zu Werke. Auch dank einiger Spenden konnten sie das Boot wieder wassertauglich machen und nach Bremen überführen. Seitdem liegt es im Vegesacker Museumshafen, wird liebevoll gepflegt und zeigt zum Beispiel bei Hafenfesten seine spektakulären Wasserfontänen.

Besuch im Kahnschifferhaus

Das Kahnschifferhaus ist an der Adresse Unterm Berg 31, 28777 Bremen, in Farge-Rekum ansässig. Am Deich stehen Pkw-Parkplätze zur Verfügung. Vom Bahnhof Farge aus sind es zu Fuß 800 Meter.

Wer das Museum besuchen möchte, kontaktiert den Heimatverein Farge-Rekum oder den Schifferverein Rekum und Umgegend von 1919. Das Archiv ist jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat von 18 bis 20 Uhr geöffnet.

Heimatverein Farge-Rekum: Telefon 04 21 / 68 31 96

Schifferverein Rekum und Umgegend von 1919: E-Mail an kahnschifferhaus@schifferverein-rekum.de

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Autorenbild Kristina Bumb

Von Kristina Bumb

Für die Leserinnen und Leser außergewöhnliche Orte erkunden und interessante Menschen kennenlernen – das macht den Beruf der rasenden Reporterin so spannend.

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