
Trauerland: Bremer Verein hilft trauernden Kindern und Jugendlichen
Einfühlsame und professionelle Unterstützung im Umgang mit dem Tod von nahestehenden Menschen
Trauer gehört zum Leben. Doch gerade Kinder und Jugendliche erschüttert der Verlust eines Familienangehörigen, von Freunden und Freundinnen meist anders als Erwachsene. Daher brauchen junge Menschen auch spezifische Hilfen, um mit dem Verlust umgehen und ihn verarbeiten zu können. In Bremen gibt es dafür seit mehr als 20 Jahren einen ganz besonderen Ort: Er heißt Trauerland – Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche. Inzwischen sind auch Standorte in Oldenburg und Verden hinzugekommen.
Das vorrangige Ziel des Vereins ist es, Mädchen und Jungen, die einen nahestehenden Menschen verloren haben, einen geschützten Raum zu bieten. In diesem können sie ihre Trauer ganz individuell verarbeiten – und zwar mithilfe der Begleitung von einfühlsamen und engagierten Psychologinnen und Psychologen sowie Pädagoginnen und Pädagogen plus geschulten Ehrenamtlichen. Die Angebote sind kostenlos.
Das gesamte Betreuungsteam weiß um die Besonderheiten kindlicher Trauer. „Und dafür haben sie ein sehr schönes und treffendes Bild gefunden“, berichtet Silke Boos. Sie leitet die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins und vermittelt das Bild: „Bei Erwachsenen ist die Trauer wie ein großer Ozean, den sie eine Zeitlang stetig durchschwimmen. Bei Kindern sind es dagegen Trauerpfützen, in die sie unvermittelt rein- und rauspringen.“ Bei diesem Hineintauchen äußern sie ihre Gefühle ganz unterschiedlich. „Sie können zum Beispiel wütend sein oder in sich gekehrt“, erläutert Boos.
Weinen sei bei jungen Menschen nicht unbedingt das Mittel, ihre Trauer auszudrücken. „Vielmehr geschieht das insbesondere bei jüngeren Kindern über Spiele und andere Aktivitäten. Jugendliche tauschen sich dagegen in den Gruppen schon verstärkt über Gespräche aus“, erklärt die Psychologin Johanna Kuhr. Sie ist im hauptamtlichen Beratungsteam des Vereins Trauerland tätig und weiß um die Sorgen und Fragen, die Eltern von trauernden Kindern haben und wie man die Mädchen und Jungen sowie die ganze Familie unterstützen kann.
Welche Angebote hat Trauerland für Kinder und Angehörigen in der Corona-Krise?

Auch der Verein Trauerland hat aufgrund der Corona-Krise sein Angebot aktuell angepasst, um zum Beispiel den Kontaktbeschränkungen gerecht zu werden und so vor Ansteckungen zu schützen. Das Beratungstelefon kann unter der Nummer 0421/69 66 72 80 aber weiterhin jeden Werktag genutzt werden.
Darüber hinaus gibt es unter dem Motto #wirsindda auch via Internet Hilfe. Denn das Corona-Virus stellt aktuell das Leben von trauernden Kindern und Jugendlichen noch mehr auf den Kopf. Für sie kommt in der ohnehin schweren Phase des Abschiednehmens eine zusätzliche Unsicherheit hinzu. Gemeinsames Spielen, Toben und Reden mit Gleichgesinnten ist plötzlich nicht mehr möglich. Daher geht Trauerland jetzt neue Wege, um Kinder und Eltern auch ohne persönlichen Kontakt zu unterstützen. Dafür nutzt der Verein zum Beispiel einen Youtube-Kanal. In den Videos zeigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kindern, Jugendlichen und ihren Angehörigen Möglichkeiten auf, mit angestauten Gefühlen wie Wut oder Angst umzugehen.
Neben Übungen, die dabei helfen können, das Gefühlschaos zu sortieren, sind auch Anleitungen für kreative Bastelideen dabei. Die kleinen Filme sind ebenfalls auf der Facebook-Seite von Trauerland zu sehen.
Umfassende Hilfe für Kinder und ihre Familien – seit mehr als 20 Jahren
Grundsätzlich bietet Trauerland in Bremen, Verden und Oldenburg 16 Kindertrauergruppen. „In diesen schaffen wir Platz für ihre Trauer – zum Beispiel Tobe- und Kreativräume. Die Mädchen und Jungen im Alter von 2 bis 14 Jahren können dabei ihre Gefühle auf ihre ganz eigene Art und Weise ausdrücken. Geleitet wird jede Gruppe dabei von einer pädagogischen oder psychologischen Fachkraft. Dieser stehen wiederum sechs bis acht ehrenamtliche, geschulte Trauerbegleiter und -begleiterinnen zur Seite. Die Gruppen treffen sich alle 14 Tage für 90 Minuten. Für Jugendliche und junge Erwachsene gibt es darüber hinaus Gelegenheit, andere Trauernde in altersspezifischen Gruppen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen.
Die Teilnahme ist übrigens kostenlos. Der Verein ist zu 95 Prozent spendenfinanziert und arbeitet überkonfessionell.
Übersicht über die Angebote für Kinder und Jugendliche:
- Trauergruppen für Kinder und Jugendliche
- Einzelberatungen und Krisenintervention
- Schnuppergruppen
- heilpädagogische Einzelmaßnahmen
- regelmäßige Trauertreffs für junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren
- jeden Werktag telefonische Beratungssprechzeiten
Welche Angebote gibt es für Angehörige?

Der erste Schritt ist für die Angehörigen in der Regel die telefonische Beratung. Zum einen wird laut Johanna Kuhr der Verein Trauerland oft als Ansprechpartner weiterempfohlen. So melden sich Eltern mit grundsätzlichen Fragen, wenn es einen Trauerfall im engen Umfeld gibt. „Kann ich mein Kind mit zur Beerdigung nehmen? Soll ich meiner Tochter erzählen, dass ein naher Verwandter gestorben ist?“ Diese zwei Beispiele nennt Kuhr und betont, dass man Kindern bei den Antworten grundsätzlich sehr ehrlich begegnen solle. Aber man solle natürlich auch altersgerecht mit ihnen besprechen, dass beispielsweise der Onkel tot ist. „Auf keinen Fall soll man eine Reise erfinden, um seine Abwesenheit zu erklären“, rät die Psychologin.
Wie können Erwachsene Kindern helfen?
- Fragen offen und ehrlich beantworten
- den Tod mit einfachen Worten erklären
- respektvoll mit Kindern sprechen
- selbst Gefühle zeigen
- Kindern in ihrer Trauer Zeit lassen
- einen geregelten Alltag schaffen
- Einbeziehung in die Gestaltung des Abschieds für den geliebten Menschen
Darüber hinaus haben Familien die Möglichkeit, die Schnuppergruppen zu nutzen. Diese seien zwar vorrangig für die Kinder da, aber ihre Eltern bekommen dabei ebenfalls einen Eindruck von Trauerland und der Arbeit des Vereins. Denn der Ansatz ist laut Silke Boos, die ganze Familie zu unterstützen. Daher gebe es zudem Angehörigengruppen parallel zu denen für die Kinder und Jugendlichen Zudem finden auch für Angehörige Einzelberatungen und Kriseninterventionen statt – alles ganz im Sinne der Unterstützung der Kinder in ihrer Trauer.
Beratung von Institutionen und Fachkräften
In den inzwischen mehr als 20 Jahren hat sich der Verein längst auch zu einem Kompetenzzentrum für ganz verschiedenen Institutionen entwickelt. Er bietet:
- fachkundige telefonische Beratung für Fachkräfte aus sozialen Einrichtungen der Jugendhilfe sowie aus Kitas und Schulen
- Krisenintervention bei Trauerfällen in sozialen Einrichtungen mit Kindern
- Vorträge und Seminare rund um das Thema Trauer bei Kindern und Jugendlichen
- Schulungen für Ehrenamtliche, die sich für Trauerland engagieren möchten
Das Herzensprojekt Trauerland

Noch vor mehr als 20 Jahren spielte die Trauerbegleitung von Kindern in Deutschland kaum eine Rolle. Die Gründerin des Zentrums für trauernde Kinder, Beate Alefeld-Gerges, lernte den Ansatz in den USA kennen und schuf daraufhin 1999 die Einrichtung in Bremen. Es war die erste ihrer Art hierzulande. Und der Bedarf entpuppte sich als immens.
Waren es anfangs drei Kinder, um die sich der noch kleine Verein kümmerte, waren es anderthalb Jahre später bereits 30. Mit einer Anschubfinanzierung der Aktion Mensch gelang es, die inzwischen kaum noch wegzudenkende soziale Einrichtung in den schwierigen Anfangsjahren finanziell zu stützen. Viele Prominente wie die Moderatorin Bärbel Schäfer und Werder-Bremen-Legende Thomas Schaaf treten als Botschafter auf und öffnen Türen für weitere Unterstützung. 2006 eröffnete der preisgekrönte Verein einen Standort in Oldenburg und 2018 in Verden. „Rund 40 Prozent, die unser Angebot nutzen wollen, kommen aus dem Bremer Umland. Da war es nur folgerichtig, weitere Anlaufstellen zu schaffen“, erläutert Silke Boos.
Für ihre Pionierarbeit für trauernde Kinder in Deutschland ist Trauerland-Gründerin Beate Alefeld-Gerges, die auch aktuell noch im Verein aktiv ist, 2017 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden.
Heute arbeiten in dem Verein ein kleines hauptamtliches Team in den Bereichen Pädagogik, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit sowie rund 130 Ehrenamtliche. Das Ziel aller ist und bleibt es, eine Anlaufstelle für trauernde Kinder zu sein – mit niedrigschwelligen Hilfsangeboten. Darüber hinaus soll weiter für das wichtige Thema sensibilisiert werden. Und zwar weit über Bremen hinaus – bundesweit.
Weitere Informationen zum Verein Trauerland, seinen Angeboten sowie zum Engegament für die soziale Institution (Ehrenamt und Spenden) gibt es hier.
Dieser Beitrag ist Teil unseres Themenspecials „Vereine in Bremen“. Sind Sie interessiert an mehr Artikeln dieser Art? Schauen Sie sich unsere Sammlung von Beiträgen rund ums Thema an.