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Nachtwanderer Bremen vor einem Bus
"Nachtwanderer"

Nach Sonnenuntergang sind die „Nachtwanderer“ für Jugendliche da

Unterstützung statt Bevormundung – das macht das Projekt aus

In der Stadt Bremen unterstützen unterschiedliche Institutionen, Initiativen sowie Vereine Jugendliche und junge Erwachsene auf vielfältige Weise. Ein besonderes Projekt, das bereits 2004 gestartet ist, sind die „Nachtwanderer“.

Wer sind die „Nachtwanderer“?

Die „Nachtwanderer“ ist ein Zusammenschluss erwachsener Menschen, die sich allesamt ehrenamtlich engagieren. Ursprünglich kommt das Konzept aus Schweden und ist im gesamten skandinavischen Gebiet seit den 1980er-Jahren weit verbreitet. In Bremen gibt es inzwischen sechs Gruppen, die in sechs verschiedenen Stadtteilen unterwegs sind. Das Ziel der „Nachtwanderer“ ist es, dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen gut durch die Nacht kommen.

Wie erreichen die Gruppen ihr Ziel?

Die „Nachtwanderer“ sind jedes Wochenende in Dreier- oder Viererteams unterwegs, wenn die Sonne untergeht und sich viele Jugendliche auf den Weg in den Club oder zu privaten Treffen aufmachen. Die Gruppen bewegen sich auf den Straßen, auf öffentlichen Plätzen, an denen sich Jugendliche gern aufhalten, und fahren auch in Bussen und Bahnen der BSAG mit. Dabei fungieren sie als unkomplizierte Ansprechpersonen für die Teenager sowie jungen Erwachsenen und gehen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf sie zu. Und genau das macht sie so besonders.

„Wir sind da, wenn Jugendliche beispielsweise auf ihrem Nachhauseweg Probleme begegnen oder sich jemanden bezüglich einer anderen Angelegenheit anvertrauen möchten“, erläutert Lasse Berger. Er hat die erste „Nachtwanderer“-Gruppe in Bremen-Nord gegründet. „Außerdem geht es um Gewaltprävention und Deeskalation.“ Denn wenn die meisten Erwachsenen schlafen, gehe für Jugendliche der Abend oft erst los – und dann passiere richtig viel auf den Straßen. Damit meint Lasse Berger unter anderem die Begegnungen von jugendlichen Gruppen und die möglichen Konflikte, die dabei entstehen.

„Einige Teenager im Alter zwischen 13 und 17 Jahren machen ihre ersten Erfahrungen, allein beziehungsweise nur mit Altersgleichen nach Sonnenuntergang unterwegs zu sein und dabei möglicherweise auch von anderen bedrängt zu werden. Allein durch unsere Präsenz in unseren leuchtend-roten Jacke und der markanten Aufschrift  ,Nachtwanderer‘, schaffen wir es, alle Anwesenden zu beruhigen.“

Nachtwanderer Bremen Hauptbahnhof
Die „Nachtwanderer“ fahren unter anderem in Bussen und Bahnen mit und halten sich auf öffentlichen Plätzen auf, um Konflikte zwischen jugendlichen Gruppen gar nicht erst entstehen zu lassen. "Nachtwanderer"

Wie nehmen die Jugendlichen das Angebot der Nachwanderer auf?

„Die Jugendlichen nehmen uns nicht als Aufpasser wahr, die ihnen irgendetwas verbieten oder vorschreiben wollen. Und das sind wir ja auch nicht“, betont Lasse Berger, der unter anderem als Lehrer und viele Jahre im Präventionszentrum Bremen-Nord im Bereich der Suchtprävention gearbeitet hat. „Wir sind nicht die Polizei, und wir sind auch keine Sozialarbeiter und -arbeiterinnen. Wir sind einfach nur Erwachsene, die für die Jugendlichen da sind, wenn sie uns brauchen. Deswegen lehnen uns diejenigen, mit denen wir in Kontakt kommen, auch nicht ab.“ Das Gegenteil sei der Fall. „Die Jugendlichen kommen auf uns zu und sagen uns sogar, dass sie sich freuen, uns zu sehen. Denn es sei gut, zu wissen, dass da jemand da ist, der in einer misslichen Situation beruhigen und unterstützen kann.“

Auch von anderen Seiten gäbe es positive Rückmeldungen. „Die BSAG unterstützt unsere Arbeit schon seit Jahren. Und von vielen Busfahrerinnen und Busfahrern bekommen wir immer wieder zu hören, dass es ruhiger zugeht, wenn eines unserer Teams mit an Bord ist“, sagt Lasse Berger. „Ansonsten lässt sich Präventionsarbeit natürlich schwer messen. Aber solange wir solche positiven Feedbacks bekommen – von den Jugendlichen selbst und von Institutionen wie der BSAG – motiviert uns das, weiterzumachen.“

Das Problem der heutigen Gesellschaft, die auch den Einsatz der „Nachtwanderer“ nötig mache, sei laut Lasse Berger vorrangig, dass viele in einer Konfliktsituation einfach wegschauen. „Ignorieren statt eingreifen – das ist insbesondere in den Bussen und Bahnen ein Problem“, betont er. „Es passiert was, und keiner hat was gesehen. Doch je mehr Menschen hinschauen, umso mehr können wir Eskalationen und Übergriffe vermeiden.“

Nachtwanderer Bremen Infostand Vegesack
Die „Nachtwanderer“ sind immer auf der Suche nach engagierten Erwachsenen, die Bremer Jugendliche unterstützen möchten. "Nachtwanderer"

Wie sind die „Nachtwanderer“ durch die Corona-Pandemie gekommen?

„Durch die Pandemie ist unsere Arbeit komplett ausgefallen“, berichtet Lasse Berger. „Allein die Kontaktbestimmungen hatten lange Zeit Treffen von mehreren Personen aus unterschiedlichen Haushalten nicht zugelassen. Viele unserer Mitstreiter und Mitstreiterinnen hatten zudem verständlicherweise Angst, rauszugehen.“ Jetzt erst komme alles wieder langsam in Gang. Doch damit die „Nachtwanderer“ wieder richtig durchstarten können, suchen viele der Bremer Gruppen neue Unterstützung.

Wer kann „Nachtwanderer“ werden?

Jeder, der älter ist als 25 Jahre und Lust hat, sich für Jugendliche nachts und am Wochenende zu engagieren. „Ich empfehle immer, Teil der Gruppe zu werden, die im eigenen Stadtteil ansässig ist“, sagt Lasse Berger. „Die Leute können sich direkt an die jeweiligen Ansprechpersonen wenden. Die Kontaktdaten finden Interessierte auf den Websites der Gruppen.“

Autorenbild Katharina Resmer

Von Katharina Resmer

In bin in Niedersachsen geboren, in Bremen-Nord aufgewachsen, habe in Hamburg zu mir selbst gefunden – und bin nun endlich wieder in der kleineren Hansestadt angekommen, um zu bleiben. Wandern, Fahrradfahren und Tagträumen – all das klappt ganz wunderbar in der neu-alten Heimat.

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