
Eike Besuden: Der Bremer Filmemacher
Die zweite Dokumentation zur Familie Bamberger ist bereit für die Leinwände

Es gibt besondere Menschen und Institutionen im Stadtteil. Sie fallen auf, weil sie sehr präsent sind, sich für etwas engagieren oder in der Nachbarschaft aktiv sind. Einer von diesen Menschen ist Eike Besuden.
In seinen Pinguin Studios in Schwachhausen dreht Besuden bereits seit 1995 Dokumentationen. Darunter befindet sich auch die ARD-Serie „Unter deutschen Dächern“. Mit „Verrückt nach Paris“ schuf er zusammen mit Pago Balke und Darstellern des Blaumeier-Ateliers eine erfolgreiche Kinokomödie.
Seit einigen Jahren ist Eike Besuden tief in die Geschichte der Familie Bamberger eingetaucht. Julius Bamberger errichtete in den 1920er-Jahren im Faulenquartier das „Bambüddel“, ein Kaufhaus, das auch für ärmere Menschen aus dem Bremer Westen gedacht war. In dem Gebäude ist heute die Volkshochschule untergebracht. Die Familie des jüdischen Kaufmanns ist in den 1930er-Jahren enteignet und aus der Hansestadt vertrieben worden. Die Flucht vor den Nationalsozialisten führte quer durch Europa, bis die Bambergers Ende 1941 die USA erreichten. Vor mehr als zehn Jahren erhielt der Bremer Filmemacher Besuden den Auftrag, einen Film über die Kaufmannsfamilie zu drehen. 2012 erschien „Aufgeben? Niemals!“. Nun ist der zweite Teil fertiggestellt und beinhaltet Gespräche mit den Enkeln und Urenkeln von Julius Bamberger.
Im vergangenen Jahr verlieh ihm der Vorstand der Vereinigung der Freunde und Förderer der Villa Ichon den „Kultur- und Friedenspreis“. „Wir ehren Eike Besuden, weil er Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, eine große Wertschätzung entgegenbringt“, heißt es unter anderem in der Laudatio. Und weiter: „Wir ehren ihn, weil er mit seinen Filmen für ein besseres Miteinander kämpft und uns anregt, Menschlichkeit zu leben.“ Im Gespräch mit SPOT erzählt der 75-Jährige von seinen Treffen mit der Familie Bamberger. Und er verrät mehr über seine zweite Dokumentation, die den Titel „Generation Zukunft – Die Enkel des Holocaust“ trägt.

Herr Besuden, Sie drehen aktuell wieder einen Film über die Familie Bamberger?
Eike Besuden: Der ist schon fertig gedreht und geschnitten. Es gibt insofern eine fertige zweite Fassung des Films. Die erste habe ich vor 12 oder 13 Jahren gemacht. Jetzt geht es um die Enkelgeneration 80 Jahre nach dem Holocaust – und die Frage: Gibt es den Holocaust noch bei den Enkeln dieser Flüchtlinge? Ich bin bei der Familie in den USA gewesen und habe immer wieder mit den Enkeln gesprochen. Daraus ist dann die Idee entstanden, eine Fortsetzung des Films zu machen.
Ist die Dokumentation bald schon in Bremen zu sehen?
So schnell nicht – es sei denn, Sie fahren nach Emden. Da wird sie im Juni auf dem Filmfest gezeigt. Dort feiert sie ihre Welturaufführung. Anschließend folgen noch weitere Festivals. Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres werden wir dann ins Kino gehen. Dann ist der Film auch in Bremen zu sehen.
„Die Leute gehen davon aus, dass dieser Holocaust ein Teil ihrer DNA ist.“
Wie ist es Ihnen bei der Recherche ergangen? Vermutlich ist der Holocaust immer noch bei den Urenkeln zu spüren?
Ich habe mit den unterschiedlichen Teilen der Familie geredet. Dabei sind für mich ganz spannende Dinge herausgekommen. Der Holocaust ist immer noch bei der jüdischen Bevölkerung präsent – wenn auch auf eine andere Art und Weise. In den Gesprächen sind wir in der heutigen Zeit angekommen. Zum Beispiel gehen die Leute davon aus, dass dieser Holocaust ein Teil ihrer DNA geworden ist. Sie kommen nicht davon weg, sondern können nur einen Weg finden, damit umzugehen. Durch ihre Vorfahren ist es Teil ihrer Persönlichkeit.

Zudem wirkt sich das Ganze heutzutage so aus, dass sie sagen: Die derzeitige politische Situation in den USA ist heikel. Wenn dort Leute an die Macht kommen, die versucht haben, das Kapitol zu stürmen und es dabei Verletzte und Tote gab, dann ist es immerhin möglich, auch in den USA eine brisante politische Situation zu erleben. Das heißt, sie müssen immer damit rechnen, dass irgendetwas passiert, was ihrem Leben schadet. Und dass sie dann genauso wie die Leute vor 80 Jahren hier überlegen müssen: Bleibe ich oder fliehe ich?
Spannende und politisch aktuelle Gespräche
Jüdischen Flüchtlingen, die damals vor den Nationalsozialisten geflohen sind, ist die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden. Sie sind somit dort, wo sie gelandet sind, als staatenlos angekommen. Diese Situation ist für jüdische Flüchtlinge nie aufgelöst worden. Im Zuge dieser Recherche habe ich nun erfahren: Erst ein neues Gesetz im Jahr 2020 in der Bundesrepublik hat festgelegt, dass die Nachfahren der Jüdinnen und Juden, die damals geflohen sind, heute wieder eine deutsche Staatsangehörigkeit beantragen können, wenn sie möchten. Das hat natürlich in der Bamberger-Familie eine große Diskussion ausgelöst. Wollen wir das? Möchten wir, die aus Deutschland vertrieben worden sind, eine deutsche Staatsbürgerschaft haben?
Und nun haben fast alle Mitglieder der Familie einen deutschen Pass, weil dieser eben auch ein europäischer Pass ist. Da sie nun aufgrund der politischen Verhältnisse in den USA immer denken: Wenn es schlimmer wird, brauchen wir einen Fluchtweg. Und dafür haben sie jetzt diesen europäischen Pass.
Bei den Gesprächen sind also auch spannende, sehr politisch aktuelle Sachen herausgekommen. Und von solchen Beispielen handelt dieser neue Film.
Die Familie war kürzlich in Bremen zu Besuch. Das heißt, Sie haben die Gespräche, die in den USA und in Bremen stattfanden, zu einer Dokumentation zusammengefasst?
Nein, ich habe den Film gemacht mit den Interviews, die ich in den USA geführt habe. Sie sind nach Bremen gekommen, weil wir in der Volkshochschule in Bremen eine interne Vorführung einer kürzeren Fassung des Beitrags hatten. Zudem lief der Film drei Tage vorher in Berlin. Dazu gab es eine Lesung aus meinem Buch „Emigrante“, in dem alle Interviews abgedruckt sind. Die Veranstaltung fand in der Bremer Vertretung in Berlin statt. Das war für die Enkel sehr spannend und schön, dass ihre Familie so gewürdigt und die Problematik nicht vergessen, sondern öffentlich diskutiert wird.
„Klaus Hübotter hat ein sehr großes Stück Bremer Geschichte wieder lebendig gemacht.“

Wie sind Sie damals dazu gekommen, sich so intensiv mit der Geschichte der Familie Bamberger zu beschäftigen?
Es war eine Anfrage des Bremer Kaufmanns Klaus Hübotter. Er hat kurz nach der Jahrtausendwende das Haus gekauft. Es war so marode, dass es abgerissen werden sollte. Er hat es dann komplett renoviert – in der Art und Weise, wie Julius Bamberger es damals gebaut hatte. Zudem brachte er den Namen Bamberger oben wieder an das Dach an. Klaus Hübotter hat damit ein sehr großes Stück Bremer Geschichte wieder lebendig gemacht. In dem Zusammenhang hat er mich gefragt, ob ich diesen Film machen wollte.
Die Geschichte kannte ich zwar, aber ich hatte mich nicht so intensiv damit beschäftigt. Je mehr ich eingestiegen bin, desto mehr war ich begeistert davon, weil es so eine ganz schöne Pars-pro-Toto-Geschichte ist. (Anm. d. Red.: Pars pro Toto heißt so viel wie „ein Teil fürs Ganze“. Es ist ein rhetorisches Mittel, bei dem ein Detail stellvertretend für die gesamte Sache steht.) Von einem Fall, der eigentlich gut ausgegangen ist, weil die Familie Bamberger fliehen konnte. Sie haben überlebt.
Persönlicher Kontakt zur Familie Bamberger
Den ersten Film habe ich dann 2012 gedreht. Zu der Zeit hat Anneliese Bamberger noch gelebt – die Tochter von Julius Bamberger, mit der und deren Bruder er zusammen geflohen war. Das war wirklich ein i-Tüpfelchen. Ich war sehr glücklich darüber, dass wir auf diese Art und Weise noch lebendige Bilder von Anneliese Bamberger bekommen haben. Danach habe ich dann den Kontakt gehalten. Es sind immer mal wieder Familienmitglieder nach Bremen gekommen, vor allem aus der nächsten Enkelgeneration. Mittlerweile melden sie sich bei mir, wenn sie einen Besuch planen. Ich führe sie dann zu den Orten, die man sozusagen als die Wurzeln der Familie bezeichnet. Ich zeige ihnen, wo sie damals gewohnt hat und wo das Kaufhaus war. Und dann fahren wir auf den jüdischen Friedhof in Hastedt. Dort gibt es immer noch ein Grabmal mit dem Namen Bamberger. Außerdem gehen wir dann ins Staatsarchiv. Dort gucken wir uns die Unterlagen an, die es dort noch zu dem Fall der Familie gibt.
„Ich bin froh darüber, dass dieses schwierige Thema in dieser Aufarbeitung so gut funktioniert.“
Sie haben für das Buch „Emigrante“ und für die Recherchen im vergangenen Jahr den „Kultur- und Friedenspreis“ der Villa Ichon verliehen bekommen.
Ja, nicht nur dafür, sondern auch grundsätzlich, weil ich mit solchen Themen verbunden bin.
Wie fühlt es sich an, für eine Auszeichnung sein Lebenswerk zu bekommen?
Es fühlt sich völlig richtig an. (lacht) Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut. Die Idee dazu ist zu der Zeit entstanden, als Klaus Hübotter noch gelebt hat. Er war zu der Preisverleihung bereits gestorben, aber die Auswahl hat er noch mitentschieden.
Haben Sie aktuell noch weitere Projekte geplant?
Im Moment nicht. Ich muss irgendwann mal beginnen, mit meiner Rente anzufangen. Ich bin jetzt 75. Es gibt nichts Konkretes, was ich jetzt neu machen will oder unbedingt machen möchte. Gerade bin ich dabei, den zweiten Film zu bewerben, indem ich Festivals anschreibe und dann auch dahin fahre. Zudem bin ich zum Beispiel mit dem ersten Film und den Lesungen in Schulen zu Gast. Ich bin froh darüber, dass dieses schwierige Thema in dieser Aufarbeitung so gut funktioniert.
Und wenn dann noch eine entspannte Rente kommen kann, ist doch alles gut.
Ja, das finde ich auch. Dann kann ich mich um meine Enkel kümmern.
