
30 Jahre AntiToxin – Von Schul-AG zur Kabarett-Institution
Drei Jahrzehnte voller Pointen, starker Programme und kluger Köpfe
Kaum ein Kulturprojekt aus Bremen-Nord hat über Jahrzehnte so viel Bewegung, Biss und Begeisterung ausgelöst wie AntiToxin. Das schulübergreifende Kabarett feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen – mit einer Jubiläumsgala, einem neuen Programm und der Gründung eines eigenen Vereins. Und eines ist klar: Was als schulischer Unfall begann, ist heute Kulturgut mit Applaus-Garantie – und im bundesweiten Vergleich einzigartig.

Vom Kabarett-Experiment zum festen Kult(ur)faktor

1995 fiel der Startschuss. „Irgendwie ungewollt“, witzelt Reinhard Schilling, der Gründer der Gruppe und damals Lehrer an der Bördestraße für Deutsch, Politik, Wirtschaftslehre und Darstellendes Spiel. „Ich wollte eine Kabarett-AG gründen und hatte plötzlich Fördergelder zugesagt bekommen, noch bevor die Schule richtig Bescheid wusste“, erinnert er sich lachend. Trotz bestehender Theater-AG bekam Schilling dann doch das Go, die finanzielle Zuwendung sinnvoll einzusetzen.
Die erste Gruppe startete unter dem Namen Harakiri. „Und sie hatte Potenzial – aber auch eigene Vorstellungen“, erzählt Schilling. Als er im Folgejahr neue Mitglieder integrieren wollte, lehnte das Gründungsensemble dies ab. Schilling zog Konsequenzen. Er gründete seine Kabarett-AG neu mit eben diesem Erfolgskonzept: „Jährlich wechselnde Besetzungen, mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, die eigene Szenen schreiben und aufführen“, erklärt Schilling. AntiToxin war geboren.
Über 130 Jugendliche haben seither mitgewirkt und eigene, kabarettistische Programme auf die Bühne gebracht – frech, politisch, manchmal provokant, und immer aktuell. Sie wurden zudem Teil einer Gemeinschaft, die deutlich mehr ist als nur eine AG.
„Einmal Toxiner, immer Toxiner“
Wer einmal Teil von AntiToxin war, bleibt es oft ein Leben lang. Die Verbindung endet nicht mit dem Abitur. Viele Ehemalige bleiben dem Projekt verbunden: als Publikum, in unterstützender Funktion – oder als Leitung.

Seit 2024 führt Annik Ahrens das Ensemble. Auch sie war einst Toxinerin, studierte Theaterpädagogik und kehrte zurück – erst im Duo mit Vorgänger Mathias Hilbig, heute alleinverantwortlich. Sie bringt neue Impulse und das Wichtigste mit: ein Gespür für den Spirit der Gruppe. „Für mich war das immer ein Ort der Freiheit“, sagt Ahrens. „Da konnte man sein, wie man ist – und dabei noch etwas auf die Bühne bringen, das wirklich zählt.“
Für Reinhard Schilling steht fest: AntiToxin funktioniert nur deshalb seit 30 Jahren, weil Ehemalige es weitertragen. „Es braucht jemanden, der die Gruppe erlebt hat – und ein bisschen bekloppt ist“, sagt er. Von Anfang an sei es sowieso um das Miteinander gegangen. Sein Leitsatz bringt es auf den Punkt: „Die Gruppe ist der Star.“ Nicht Soli, sondern das Ensemble – auf der Bühne wie dahinter – macht den Erfolg von AntiToxin aus.
Große Geburtstagssause
Wie lebendig diese Gemeinschaft geblieben ist, zeigte sich bei der Jubiläumsgala am 10. Oktober 2025 im Kulturbahnhof Vegesack. Für Ahrens war der Abend mehr als ein Bühnenprogramm: „Es war wie eine große Familienfeier.“
Rund 40 Ehemalige standen mit dem aktuellen Ensemble auf der Bühne, viele weitere saßen im Publikum – begleitet von Freundinnen, Freunden, Familie und Kindern. Statt offizieller Reden gab es eine Revue aus 30 Jahren AntiToxin und eine Auszeichnung für den Mann, den alle nur „den Erfinder“ nennen: Reinhard Schilling – nun auch offiziell Träger des „Goldenen Reinhard“.
Damit es bissig bleibt

Dass ein Schülerkabarett drei Jahrzehnte überdauert, ist bundesweit eine Seltenheit. Damit das so bleibt, gründete sich im Herbst 2025 der Förderverein Anti-Toxin. Er soll Leitung, Technik und Infrastruktur dauerhaft absichern – und die bestehende Unterstützung durch das Gymnasium Vegesack ergänzen. „Wir wollen unabhängig sein und gleichzeitig neue Impulse setzen – etwa für inklusives Theater“, erklärt Markus Bode, ehemaliger Toxiner und 1. Vereinsvorsitzender.
Auf der Suche nach Nachwuchs
Schon jetzt sucht AntiToxin neue Mitglieder. Bewerben können sich Schüler und Schülerinnen ab der 10. Klasse. Das erste Kennenlerntreffen findet am Dienstag, 16. Dezember 2025, um 19 Uhr am Gymnasium Vegesack statt.
Warum sich das lohnt, bringt Maite Rohbek aus dem aktuellen Ensemble auf den Punkt: „Man lernt nicht nur neue Leute kennen, sondern auch fürs Leben. Und man wird Teil einer großen Gemeinschaft.“ Matthias Pfeiffer ergänzt: „Man spürt eine besondere Verbindung – allr unterstützten einander, wir entwickeln unsere Szenen gemeinsam.“ Und Brianna Grundmann sagt: „AntiToxin gibt einem die Möglichkeit, seine Meinung nicht nur zu sagen, sondern kreativ zu vermitteln.“
Kabarett mit Knall: Das aktuelle Programm „Harakiri“
Mit dem aktuellen Programm „Harakiri“ feiert AntiToxin nicht nur Jubiläum, sondern schlägt auch die Brücke zur eigenen Entstehungsgeschichte. „Der Titel ist eine ironische Hommage“, erklärt Ahrens. „Und natürlich auch ein Kommentar zum aktuellen Weltgeschehen.“ Das Programm ist bissig, politisch und musikalisch – mit Themen wie KI, Social Media, Donald Trump und Pandemie-Erfahrungen.
Wer „Harakiri“ noch live erleben möchte, hat dazu in der kommenden Woche Gelegenheit:
Termine (jeweils 19 Uhr):
- Montag, 27.10.25 – Schnürschuh Theater
- Donnerstag, 30.10.25 – Gymnasium Vegesack

und auf "Zum Homebildschirm hinzufügen" klicken.