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Sieben Jugendliche des aktuellen AntiToxin-Ensembles stehen auf einer Bühne in einer Reihe und singen. Alle tragen schwarze Oberteile mit Logo-Aufdruck. Ihre Arme sind in einer synchronen Geste überkreuzt. Im Hintergrund sind Bühnenvorhang, Instrumente und Lichttechnik zu sehen. Das Foto entstand während der Jubiläumsgala 2025.
Matthias Knapp

30 Jahre AntiToxin – Von Schul-AG zur Kabarett-Institution

Drei Jahrzehnte voller Pointen, starker Programme und kluger Köpfe

Kaum ein Kulturprojekt aus Bremen-Nord hat über Jahrzehnte so viel Bewegung, Biss und Begeisterung ausgelöst wie AntiToxin. Das schulübergreifende Kabarett feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen – mit einer Jubiläumsgala, einem neuen Programm und der Gründung eines eigenen Vereins. Und eines ist klar: Was als schulischer Unfall begann, ist heute Kulturgut mit Applaus-Garantie – und im bundesweiten Vergleich einzigartig.

Szene aus dem AntiToxin-Jubiläumsprogramm 2023: Acht Darsteller*innen in weißen Schutzanzügen mit schwarzen Kreuzen performen auf einer rot beleuchteten Bühne eine parodistische Gesangseinlage. Eine Person spielt Gitarre.
Bei der großen Jubiläumsparty brachte das AntiToxin-Ensemble aus 2023 ihre Rammstein-Parodie „Nein heißt Nein“ noch einmal auf die Bühne. Matthias Knapp

Vom Kabarett-Experiment zum festen Kult(ur)faktor

Vier Erwachsene sitzen auf einer Bühne im Kreis, teils mit AntiToxin-T-Shirts, vor einem schwarz geflochtenen Bühnenhintergrund. Sie spielen eine Szene nach: eine Familie geht in den Park, alle haben Handys.
Zurück auf der Bühne: Die ersten AntiToxiner spielten zur Gala eine Szene von 1995. Matthias Knapp

1995 fiel der Startschuss. „Irgendwie ungewollt“, witzelt Reinhard Schilling, der Gründer der Gruppe und damals Lehrer an der Bördestraße für Deutsch, Politik, Wirtschaftslehre und Darstellendes Spiel. „Ich wollte eine Kabarett-AG gründen und hatte plötzlich Fördergelder zugesagt bekommen, noch bevor die Schule richtig Bescheid wusste“, erinnert er sich lachend. Trotz bestehender Theater-AG bekam Schilling dann doch das Go, die finanzielle Zuwendung sinnvoll einzusetzen.

Die erste Gruppe startete unter dem Namen Harakiri. „Und sie hatte Potenzial – aber auch eigene Vorstellungen“, erzählt Schilling. Als er im Folgejahr neue Mitglieder integrieren wollte, lehnte das Gründungsensemble dies ab. Schilling zog Konsequenzen. Er gründete seine Kabarett-AG neu mit eben diesem Erfolgskonzept: „Jährlich wechselnde Besetzungen, mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe, die eigene Szenen schreiben und aufführen“, erklärt Schilling. AntiToxin war geboren.

Über 130 Jugendliche haben seither mitgewirkt und eigene, kabarettistische Programme auf die Bühne gebracht – frech, politisch, manchmal provokant, und immer aktuell. Sie wurden zudem Teil einer Gemeinschaft, die deutlich mehr ist als nur eine AG.

„Einmal Toxiner, immer Toxiner“

Wer einmal Teil von AntiToxin war, bleibt es oft ein Leben lang. Die Verbindung endet nicht mit dem Abitur. Viele Ehemalige bleiben dem Projekt verbunden: als Publikum, in unterstützender Funktion – oder als Leitung.

Mathias Hilbig und rechts daneben Annik Ahrens, stehen in AntiToxin-T-Shirts auf der Bühne bei der Jubiläumsgala
Mathias Hilbig und die aktuelle AntiToxin-Leiterin Annik Ahrens zusammen auf der Bühne. Matthias Knapp

Seit 2024 führt Annik Ahrens das Ensemble. Auch sie war einst Toxinerin, studierte Theaterpädagogik und kehrte zurück – erst im Duo mit Vorgänger Mathias Hilbig, heute alleinverantwortlich. Sie bringt neue Impulse und das Wichtigste mit: ein Gespür für den Spirit der Gruppe. „Für mich war das immer ein Ort der Freiheit“, sagt Ahrens. „Da konnte man sein, wie man ist – und dabei noch etwas auf die Bühne bringen, das wirklich zählt.“

Für Reinhard Schilling steht fest: AntiToxin funktioniert nur deshalb seit 30 Jahren, weil Ehemalige es weitertragen. „Es braucht jemanden, der die Gruppe erlebt hat – und ein bisschen bekloppt ist“, sagt er. Von Anfang an sei es sowieso um das Miteinander gegangen. Sein Leitsatz bringt es auf den Punkt: „Die Gruppe ist der Star.“ Nicht Soli, sondern das Ensemble – auf der Bühne wie dahinter – macht den Erfolg von AntiToxin aus.

Große Geburtstagssause

Wie lebendig diese Gemeinschaft geblieben ist, zeigte sich bei der Jubiläumsgala am 10. Oktober 2025 im Kulturbahnhof Vegesack. Für Ahrens war der Abend mehr als ein Bühnenprogramm: „Es war wie eine große Familienfeier.“

Rund 40 Ehemalige standen mit dem aktuellen Ensemble auf der Bühne, viele weitere saßen im Publikum – begleitet von Freundinnen, Freunden, Familie und Kindern. Statt offizieller Reden gab es eine Revue aus 30 Jahren AntiToxin und eine Auszeichnung für den Mann, den alle nur „den Erfinder“ nennen: Reinhard Schilling – nun auch offiziell Träger des „Goldenen Reinhard“.

Damit es bissig bleibt

Gruppenfoto schwarz-weiß des aktuellen Ensembles AntiToxin, die Jugendlichen lächeln in die Kamera und haben den Arm um die jeweils andere Person gelegt
Die aktuelle AntiToxin-Gruppe: Brianna Grundmann, Thore Luckau, Jette Emrich, Lennart Grundmann, Maite Rohbek, Louis Sommerschuh und Matthias Pfeiffer. AntiToxin

Dass ein Schülerkabarett drei Jahrzehnte überdauert, ist bundesweit eine Seltenheit. Damit das so bleibt, gründete sich im Herbst 2025 der Förderverein Anti-Toxin. Er soll Leitung, Technik und Infrastruktur dauerhaft absichern – und die bestehende Unterstützung durch das Gymnasium Vegesack ergänzen. „Wir wollen unabhängig sein und gleichzeitig neue Impulse setzen – etwa für inklusives Theater“, erklärt Markus Bode, ehemaliger Toxiner und 1. Vereinsvorsitzender.

Auf der Suche nach Nachwuchs

Schon jetzt sucht AntiToxin neue Mitglieder. Bewerben können sich Schüler und Schülerinnen ab der 10. Klasse. Das erste Kennenlerntreffen findet am Dienstag, 16. Dezember 2025, um 19 Uhr am Gymnasium Vegesack statt.

Warum sich das lohnt, bringt Maite Rohbek aus dem aktuellen Ensemble auf den Punkt: „Man lernt nicht nur neue Leute kennen, sondern auch fürs Leben. Und man wird Teil einer großen Gemeinschaft.“ Matthias Pfeiffer ergänzt: „Man spürt eine besondere Verbindung – allr unterstützten einander, wir entwickeln unsere Szenen gemeinsam.“ Und Brianna Grundmann sagt: „AntiToxin gibt einem die Möglichkeit, seine Meinung nicht nur zu sagen, sondern kreativ zu vermitteln.“

Kabarett mit Knall: Das aktuelle Programm „Harakiri“

Mit dem aktuellen Programm „Harakiri“ feiert AntiToxin nicht nur Jubiläum, sondern schlägt auch die Brücke zur eigenen Entstehungsgeschichte. „Der Titel ist eine ironische Hommage“, erklärt Ahrens. „Und natürlich auch ein Kommentar zum aktuellen Weltgeschehen.“ Das Programm ist bissig, politisch und musikalisch – mit Themen wie KI, Social Media, Donald Trump und Pandemie-Erfahrungen.

Die Gründungsmitglieder des neuen Vereins AntiToxin e.V. in Vegesack vorm Walkiefer: (vorne von links) Schriftführer Mathias Hilbig, 2. Vorsitzender Reinhard Schilling, 1. Vorsitzender Markus Bode, Kassenwart Martin Malcherek und die künstlerische Leitung Annik Ahrens. Im Hintergrund weitere Vereinsmitglieder, die den Förderverein mit ins Leben gerufen haben.
Die Gründungsmitglieder des neuen Vereins AntiToxin.
Gruppe junger Menschen beim gemeinsamen Essen an einem Holztisch im Garten vor einem historischen Fachwerkhaus mit Reetdach in Borchel. Das Foto zeigt Mitglieder des Schülerkabaretts AntiToxin im Jahr 2002 während einer Arbeitsphase zur Programmentwicklung.
Arbeitsphase mit Pizza und Pointen – AntiToxin 2002 in Borchel.
Das AntiToxin-Ensemble aus dem jahr 2002 steht auf der Holzbühne einer Schule in Bremen-Nord, mitten in einer Szene.
Das Ensemble aus dem Jahr 2002 auf der Bühne.
Aufnahme von Hinten: mehrere Jugendliche sitzen im KITO auf den Bänken und blicken zur Bühne, auf den Rücken ihrer T-Shirts ist der giftgrüne Schriftzug "AntiToxin" zu lesen
Dieses Jahr trat AntiToxin zum ersten Mal im KITO auf.
Das Ensemble von 2023 steht auf der Bühne in einer Reihe, die Arme um die Schultern des jeweils daneben stehenden gelegt, alle tragen weiße AntiToxin-T-Shirts
Das Ensemble aus dem Jahr 2023.
Foto aus Borchel, zu sehen ist Reinhard Schilling mitten im Satz, die Hand gehoben, neben ihm Schüler Tilman Gothner, der fokussiert in eine Mappe blickt
Gründer Reinhard Schilling und Toxiner Tilman Gothner in Borchel bei einer Szenenbesprechung.
Gruppenfoto des Ensembles aus 2002, aufgenommen im Park, die fünf Jugendlichen liegen nebeneinander auf einer Decke und haben die Händer unterm Kinn verschränkt
Gruppenshooting im Park circa 2002.
Eine Gruppe von neun jungen Menschen steht dicht beieinander vor einem beleuchteten Schminkspiegel und posiert fröhlich für ein Selfie. Sie tragen überwiegend weiße Oberteile, der Tisch vor ihnen ist mit Getränken, Chips und persönlichen Gegenständen bedeckt. Im Hintergrund sind bunte Vorhänge und ein aufgehängtes Bügeleisen zu sehen. Die Szene wirkt wie ein Blick in eine Künstlergarderobe oder ein Backstagebereich.
Das Ensemble des Schülerkabaretts 2023 – ein Blick hinter die Kulissen vor dem großen Auftritt.

Wer „Harakiri“ noch live erleben möchte, hat dazu in der kommenden Woche Gelegenheit:

Termine (jeweils 19 Uhr):

  • Montag, 27.10.25 – Schnürschuh Theater
  • Donnerstag, 30.10.25 – Gymnasium Vegesack

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Autorenbild Katharina Resmer

Von Katharina Resmer

In bin in Niedersachsen geboren, in Bremen-Nord aufgewachsen, habe in Hamburg zu mir selbst gefunden – und bin nun endlich wieder in der kleineren Hansestadt angekommen, um zu bleiben. Wandern, Fahrradfahren und Tagträumen – all das klappt ganz wunderbar in der neu-alten Heimat.

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