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Schule für alle Bremen: ein von Kindern gemaltes Bild zum Thema Inklusion, das umrandet wird von Buntstiften
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Stadtteilköpfe: Elke Gerdes setzt sich für Inklusion ein

Mitbegründerin des Vereins „Eine Schule für alle Bremen“

Es gibt besondere Menschen und Institutionen im Stadtteil. Sie fallen auf, weil sie sehr präsent sind, sich für etwas engagieren oder in der Nachbarschaft aktiv sind. Einer von diesen Menschen ist Elke Gerdes. Sie ist die Mitgründerin und Vorsitzende des Vereins „Eine Schule für alle Bremen e.V.“.

Neues inklusives Schulsystem: „Eine Schule für alle“

Seit mehr als 15 Jahren macht sich Elke Gerdes für die Inklusion in den Bremer Schulen stark. Grund dafür war die Geburt ihrer heute 19-jährigen Tochter. Sie kam mit dem Downsyndrom zur Welt. Mit dem Blick Richtung Einschulung war für Elke Gerdes wichtig, dass sie keine schulischen Sonderwege mit ihrer Tochter geht.

2007 brachte ein Kongress in Köln den Stein für den Verein „Eine Schule für Alle Bremen“ ins Rollen. Die Besucherinnen und Besucher informierten sich dort über Institutionen, in denen jedes Kind willkommen ist – egal, ob mit Behinderung oder ohne.

Bundesverdienstkreuz für bildungspolitisches Engagement

Eine Schule für alle Bremen: Mitbegründerin Elke Gerdes hält das Bundesverdienstkreuz in den Händen
2021 erhielt Elke Gerdes das Bundesverdienstkreuz für ihr bildungspolitisches Engagement. privat

Daraufhin gründete Elke Gerdes gemeinsam mit anderen Eltern zunächst die Initiative „Eine Schule für alle – Jetzt!“, woraus im Jahr 2011 der Verein entstand. Sie fordern, dass es eine Schule für alle Kinder und Jugendlichen gibt – dabei spielen Herkunft, Religion, Bildungsstand und auch körperliche sowie geistige Beeinträchtigungen keine Rolle. Jeder Mensch bekommt an einer „Schule für Alle“ die Aufmerksamkeit, die er braucht – und das in Gemeinschaft aller, die dort lernen.

2021 zeichnete der Bundespräsident das Engagement von Elke Gerdes für Inklusion mit dem Bundesverdienstkreuz aus. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte überreichte die Ehrung mit den Worten: „Es zeichnete Sie aus, dass Sie nicht nur das Wohlergehen ihrer eigenen Tochter, sondern alle Kinder im Blick hatten. Es ging Ihnen im Kontakt mit der Grundschule nicht darum, einen besonderen Platz für Ihre eigene Tochter zu erwirken. Sie legten vielmehr gemeinsam mit der Schulleitung großen Wert darauf, dass die gesamte Schulgemeinschaft sich auf den Weg zu einer inklusiven Schule machte.“

„Eine Schule für alle“ umzusetzen, ist ein langer Weg. Wir haben Elke Gerdes gefragt, wie weit dieses Vorhaben in der Hansestadt bereits umgesetzt wurde.


Wo stehen Sie heute mit der „Schule für alle“?

Elke Gerdes: Es ist noch viel Luft nach oben. Eine „Schule für alle“ haben wir nach wie vor überhaupt nicht erreicht. Wir haben auch tatsächlich durch Corona einige Rückschritte gemacht. Zudem macht es der Personalmangel an ganz vielen Stellen nicht einfacher. Denn eine „Schule für alle“ bedeutet, alle Sonderformen aufzulösen. Das ist in Bremen relativ weit fortgeschritten. Doch es gibt noch die Gymnasien und einige wenige Förderzentren. Auch ein Gymnasium ist eine Sonderform, weil eine Grundvoraussetzung abgetestet wird, um sich dafür zu qualifizieren. Bei einer „Schule für alle“ muss es eine Einrichtung geben, in die alle Ressourcen einfließen und in der jedes Kind – so, wie es ist – lernen kann, gefördert und gefordert werden muss, also eben das bekommt, was es braucht.

So sollte es zum Beispiel einen Förderplan geben, der nicht nur jungen Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf hilft, sondern auch denjenigen, die hochbegabt oder sehr leistungsstark sind. Diese Kinder und Jugendlichen haben genauso ein Anrecht auf Forderung und Förderung. Im Moment läuft Inklusion vor allem unter dem Aspekt, dass auf die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf Rücksicht genommen wird. Das ist richtig und besonders wichtig. Aber eine „Schule für alle“ heißt eigentlich, dass sämtliche Kinder und Jugendlichen Förderung und Forderung bekommen, um sich bestmöglich bilden und entwickeln zu können. Und davon sind wir weit entfernt.


„Viele tun sich schwer, das Schulsystem zu ändern.“


Als Sie 2007 nach Köln gefahren sind, wurde auf einem Kongress „Eine Schule für alle“ vorgestellt. Gab es damals beziehungsweise gibt es mittlerweile eine Beispielschule, die Inklusion in dem Maß umsetzt?
Letztendlich sind die Oberschulen ein Beispiel dafür. Man kann dort alle Abschlüsse erreichen. Aber es existiert eben weiterhin der Sonderzweig mit den Gymnasien. Viele tun sich schwer, das Schulsystem zu ändern. Es geht sofort um Gleichmacherei, Einheitsstrukturen – „dann gehen die Starken unter und werden ausgebremst“ … Dabei geht es eben nicht um die Einheitsschule, sondern um eine, in der auch Forderung und Förderung für die möglich ist, die schneller lernen.

Es geht im Moment häufig darum, „starke“ Schülerinnen und Schüler zu bremsen und diejenigen, die mehr Unterstützung brauchen oder langsamer beziehungsweise anders lernen, irgendwie mitzuschleifen. Das ist natürlich ein ganz blödes Prinzip.


„Vernetzung ist ein ganz großes Thema.“


Was raten Sie Eltern von beeinträchtigten Kindern, die sich bei der Kita- beziehungsweise Schulsuche Gedanken und möglicherweise auch Sorgen machen?
Ich rate ihnen, sich gut zu informieren, was geht und was nicht geht. Dazu gehört zum Beispiel: Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass das Kind in dieselbe Grundschule kommt wie das Nachbarskind, obwohl die beiden in der Kita vielleicht zusammen gespielt haben. Und man sollte sich gegebenenfalls schon frühzeitig darum kümmern, ob sich die wohnortnahe Schule vielleicht doch dahin entwickeln kann.

Und dann ist die Vernetzung ein ganz großes Thema – sich gemeinsam mit anderen zu informieren und zu wissen, was auf sie zukommt. Sie sollten sich die zugeordnete Schule angucken und Fragen stellen: Wie wird in der Klasse gearbeitet? Gibt es so etwas wie Sonderräume, oder werden alle gemeinsam in einem Klassenraum geschult? Welche Fächer werden zusammen unterrichtet? Wo wird dann doch wieder getrennt – insbesondere bei den Kindern mit geistigen Beeinträchtigungen? Gegebenenfalls muss man sich organisieren und Einfluss nehmen. Aber das alles muss man nicht allein. Sich zu vernetzen, ist daher wichtig – und nicht nur mit den Eltern, deren Kinder auch Förderbedarf haben.

Autorenbild Linda Bussmann

Von Linda Bussmann

Ich bin eine waschechte Ostfriesin und überzeugte Norddeutsche. Vor vielen Jahren zog es mich in die Hansestadt. Bremen ist seitdem meine zweite Heimat geworden.

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