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Stefanie Golisch Demenz-Chor Goldkehlchen
Martin Rospek/Bremer Heimstiftung

Der Demenz-Chor Goldkehlchen

Stefanie Golisch über ein besonderes Musikprojekt, das Menschen verbindet und für den Alltag stärkt

Musik kann Erinnerungen wecken, Gemeinschaft stiften und Momente von Leichtigkeit schaffen – gerade dort, wo der Alltag von Einschränkungen geprägt ist. In Bremen hat die Sängerin und Gesangspädagogin Stefanie Golisch den offenen Demenz-Chor Goldkehlchen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen ins Leben gerufen. Das Projekt wird von der Bremer Heimstiftung, der Bürgerstiftung Bremen und dem Programm „Hand in Hand in Norddeutschland“ unterstützt. Golisch selbst ist Mezzosopran- und Opernsängerin und tritt regelmäßig bei Konzerten in der Hansestadt und der Umgebung auf.

Seit wann gibt es den Demenz-Chor Goldkehlchen und wie ist die Idee dazu entstanden?

Stefanie Golisch Demenz-Chor Goldkehlchen
Die erfahrene Sängerin Stefanie Golisch ist die Initiatorin und Leiterin vom Demenz-Chor Goldkehlchen in Bremen. Kay Michalak

Stefanie Golisch: Den Chor gibt es seit Mai dieses Jahres. Geplant haben wir allerdings schon etwa ein dreiviertel Jahr vorher. Die Bremer Heimstiftung ist auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich mir grundsätzlich vorstellen könnte, mit an Demenz erkrankten Menschen zu arbeiten. Das war für mich ein großer Wunsch, den ich schon lange hatte: einen Demenz-Chor zu gründen, in dem Betroffene gemeinsam mit ihren Angehörigen singen können. Insofern bin ich mit dieser Idee offene Türen eingerannt und sehr dankbar für die Unterstützung – sowohl von der Heimstiftung als auch von der Bürgerstiftung Bremen und dem Projekt „Hand in Hand in Norddeutschland“.

Wo finden die Proben des Demenz-Chores Goldkehlchen statt und wie ist der Ablauf vor Ort?
Die Proben finden in der Stiftungsresidenz Landhaus Horn in der Schwachhauser Heerstraße 264 statt. Wir treffen uns alle zwei Wochen montags von 10 Uhr bis 12 Uhr. Anschließend gibt es noch die Möglichkeit, gemeinsam Kaffee zu trinken und miteinander ins Gespräch zu kommen. Das ist ein ganz wichtiger Teil des Projekts. Ein Einstieg ist für alle Interessierten und ihre Angehörigen jederzeit möglich.

An wen richtet sich der Chor?
Der Chor ist offen für alle Menschen mit Demenz – ganz unabhängig davon, ob sie in einer Einrichtung der Bremer Heimstiftung leben oder nicht. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sind ebenfalls ausdrücklich willkommen. Eine Anmeldung ist nicht zwingend nötig, gibt aber vielen neuen Teilnehmenden ein gutes Gefühl von Sicherheit. Wer möchte, kann mich für Informationen gern telefonisch unter: 0160 / 94 90 07 16 oder über meine Internetseite kontaktieren.

Sie haben auch einen sehr persönlichen Bezug zum Thema Demenz. Welche Rolle spielt dieser für Ihre Arbeit als Chorleiterin?
Meine Großmutter väterlicherseits war dement. Ich war damals noch ein Kind und habe das nie als etwas Bedrohliches erlebt. Ich habe für sie gesungen, mich mit ihr unterhalten und gemerkt, wie viel Musik bewirken kann. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt. Später habe ich Musik, Gesang und Germanistik studiert, an Opernhäusern gesungen und bin dann immer wieder in Altenheimen aufgetreten. Dabei habe ich gemerkt, wie sehr mir diese Arbeit liegt – und wie viel sie mir zurückgibt.

Welche Musik wird im Demenz-Chor Goldkehlchen gesungen?
Wir singen eine große Bandbreite. Viele bekannte Volkslieder, Schlager aus früheren Zeiten, Kanons und auch einfache zweistimmige Stücke. Es ist kein reines „fröhliches Zusammensingen“. Jede Probe beginnt mit einem körperlichen Aufwärmen, dann wird die Stimme vorbereitet. Danach arbeiten wir ganz bewusst musikalisch: einstimmig, zweistimmig, mit Rhythmusübungen und immer wieder Kanons. Im Dezember gehören natürlich auch Weihnachtslieder dazu.


„Sobald die Musik beginnt, sind alle im Hier und Jetzt. Viele blühen regelrecht auf.“


Wie erleben Sie die Teilnehmenden während der Proben?
Das Faszinierende ist, dass man während des Singens oft kaum erkennt, wer tatsächlich an Demenz erkrankt ist. Sobald die Musik beginnt, sind alle im Hier und Jetzt. Viele blühen regelrecht auf. Gerade Menschen, die früher im Chor gesungen haben, erinnern sich erstaunlich gut an Melodien und Texte. Für Angehörige ist das oft ein sehr berührender Moment, weil sie erleben, was noch alles möglich ist.

Demenz-Chor Goldkehlchen
Die Menschen des Demenz-Chors Goldkehlchen in Bremen bei der zweiwöchentlichen Probe. Martin Rospek/Bremer Heimstiftung

Welche Bedeutung hat der Chor für Angehörige und Pflegende?
Pflegende Angehörige leisten im Alltag wirklich unglaublich viel. Der Chor soll auch ihnen einen Raum geben, in dem sie für zwei Stunden Normalität erleben können. Es geht darum, gemeinsam etwas Schönes zu machen – nicht um die Krankheit. Gleichzeitig entsteht langsam ein Netzwerk: Man trinkt vielleicht hinterher zusammen Kaffee, lernt sich kennen, unterstützt sich gegenseitig. Das ist mir auch sehr wichtig.

Sind zukünftig auch Auftritte in der Öffentlichkeit geplant?
Es gibt erste Anfragen, unter anderem für den Fachtag Demenz im kommenden Jahr. Mir ist aber wichtig, überhaupt keinen Druck aufzubauen. Ein Auftritt kann für manche auch belastend sein. Zunächst soll der Chor weiter zusammenwachsen und die Menschen Spaß am Singen haben. Wenn es sich richtig anfühlt, werden wir vielleicht auch diesen Schritt gemeinsam gehen.

Demenz-Chor Goldkehlchen
Die Bremer Goldkelchen freuen sich über Mitmachende. Bremer Heimstiftung

Was motiviert Sie persönlich an diesem Projekt am meisten?
Ich gehe jedes Mal unglaublich glücklich aus den Proben vom Goldkehlchen Demenz-Chor. Auch an Tagen, an denen ich müde bin, bekomme ich so viel zurück. Ein Teilnehmer hat mich kürzlich in den Arm genommen und gesagt, wie gern er mitsingt. Diese Wertschätzung ist etwas ganz Besonderes. Musik wirkt hier wirklich heilsam – für alle Beteiligten.

Wie sehen Ihre Wünsche für die Zukunft des Goldkehlchen Demenz-Chors aus?
Mein Traum ist, dass der Chor weiter wächst – in einem Rahmen, der für alle gut ist. Es darf nie zu voll oder zu laut werden, damit niemand überfordert wird. Aber ich wünsche mir, dass dieses Projekt Schule macht und zeigt, wie viel Potenzial in Musik und Gemeinschaft steckt. Ich freue mich einfach auf die Zeit mit den Menschen und das gemeinsame Singen.

Mehr Informationen zum Thema finden sich auf der Internetseite des Demenz-Chor Goldkehlchen der Bremer Heimstiftung. Eine Video-Reportage über eine Chorprobe der Goldkehlchen Bremen ist auf dieser Seite zu sehen.

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Autorenbild Tjark Worthmann

Von Tjark Worthmann

Immer wieder darf ich tolle und spannende Menschen aus unser schönen Stadt kennenlernen! Lebenswert, lebensfroh und lebensnah: Bremen, ich liebe Dich :-)

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