„Nicht mit mir!“ Selbstverteidigung für ältere Menschen
„Tricks gegen die Ohnmacht“: Frank Kunze gibt Kurse bei Bremen 1860
Ältere Menschen sind oft Ziel einer Straftat. Dabei gibt es Möglichkeiten, diese zu verhindern. Frank Kunze, Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, gibt daher Kurse für ältere Menschen ab 55 Jahren beim Turn- und Sportverein Bremen 1860 in Schwachhausen. Unter dem Titel „Tricks gegen die Ohnmacht“ bekommen Seniorinnen und Senioren Sicherheit und Selbstbewusstsein in bedrohlichen Situationen vermittelt.
Im Gespräch mit SPOT berichtet Kunze, dass sich jeder und jede wehren kann. Er gibt ein paar Tricks preis und erklärt, warum es auf die Techniken ankommt und nicht auf Kraft.
„Man kann in einer bedrohlichen Situation viel falsch machen.“
Im April startet der neue Kurs zum Thema „Tricks gegen die Ohnmacht“. Was erwartet die Teilnehmenden, wenn sie sich dafür anmelden?
Frank Kunze: In diesem Kurs wird viel Polizeiwissen vermittelt. Aus dem einfachen Grund, weil ich früher einmal Polizeibeamter war. Ich habe mich viel mit Prävention beschäftigt. Früher haben wir Kinder und Jugendliche geschult. Und da kam ich auf die Idee, Seniorinnen und Senioren solch einen Kurs anzubieten. Wir haben das Programm ein bisschen umgestellt. So entstand das Programm „Tricks gegen die Ohnmacht“. Denn man kann auch viel falsch machen, wenn man sich in einer bedrohlichen Lage befindet. Das wird den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermittelt.
Was kann man falsch machen?
Zum Beispiel, wenn man Täter duzt. Wenn man ruft: „Hau ab, lass mich in Ruhe!“ Man bekommt dann keine Hilfe, weil Außenstehende glauben, dass man sich kennt. Wenn ich durch den Bürgerpark gehe und lege zum Beispiel meinen Arm auf Ihre Schultern und Sie würden zu mir sagen: „Hau ab, was soll das denn?“, dann käme keiner auf die Idee, dass sich eventuell daraus eine bedrohliche Lage entwickelt. Ich empfehle daher immer, potenzielle Täter und Täterinnen zu siezen. „Lassen Sie mich in Ruhe!“ ist manchmal rettend, wenn man Hilfe haben will.
Haben Sie noch ein Beispiel?
Dass man laut wird, ist wichtig. Dass man bei einem Überfall, beispielsweise wenn ein Handy geraubt wird oder ähnliche Dinge, laut schreit. Täter und Täterinnen hassen es, wenn es laut wird.
Im Kurs zeige ich den Teilnehmenden dann einfache Griffe. Zum Beispiel, wie man sich befreit, wenn man festgehalten wird. Die Leute sind immer ganz verblüfft, dass es so einfach geht. Es hat nichts mit Kraft zu tun, sondern mit Technik.
„Zivilcourage liegt mir am Herzen.“
Das bedeutet, dass eine gewisse Grundfitness nicht notwendig ist?
Überhaupt nicht. Ich habe schon über 80-Jährige dabeigehabt und auch welche, die körperliche Probleme hatten. Es geht wirklich nur darum, Techniken zu vermitteln und einfache Dinge zu besprechen wie das Lautwerden. Personenbeschreibungen zu lernen, gehört ebenfalls dazu. Zwei Personen sollen sich angucken, dann Rücken an Rücken stehen und sich beschreiben. Ich bin manchmal überrascht, was dabei herauskommt. Auweia!
Zivilcourage liegt mir auch am Herzen: Wie man helfen kann, wenn andere sich in bedrohlichen Lagen befinden. Auf keinen Fall dazwischengehen. Solche Dinge finde ich unglaublich wichtig – und anhand von Beispielen demonstrieren wir das.
Ein anderes Beispiel-Thema: Kohlfahrten. Er bringt sie mit dem Auto nach Hause. Plötzlich wird er übergriffig und lässt seine rechte Hand immer auf dem Oberschenkel der Dame. Sie sagt ganz klar: Nein, ich will das nicht. Was macht man da? Ich kann nur Folgendes empfehlen: Jedes Mal den Arm zurückschieben und sagen: „Es ist Schluss, hier spielt sich nichts ab, ich möchte nach Hause!“ Und wenn er das nicht macht, dann sollte man während der Fahrt die Scheiben runterdrehen, alles aus dem Auto auf die Straße werfen – selbst die Fußmatten. Dass man Öffentlichkeit herstellt, ist unglaublich wichtig. Wenn die Täter und Täterinnen merken, dass da Widerstand kommt, dann brechen sie ihre Taten ab. Sie suchen sich Opfer, keine Gegner oder Gegnerinnen.
Das alles sind Optionen. Es sind keine in Stein gemeißelten Regeln, aber es sind Möglichkeiten, wie man aus einer bedrohlichen Situation herauskommt.
Es geht ja auch um das Selbstbewusstsein, das man durch den Kurs entwickelt. Dass man eine Idee hat, was man in einer bedrohlichen Situation machen könnte.
Genau, das ist richtig. Der Titel vom Kurs passt ganz gut dazu. Denn man muss Strategien entwickeln. Unter dem Motto: „Mensch, nicht mit mir!“
Seit wann geben Sie diese Kurse?
Seit meiner Pensionierung. Ich bin seit zehn Jahren in Pension. Seitdem schule ich Seniorinnen und Senioren. Mit Kindern und Jugendlichen habe ich bereits während der Dienstzeit gearbeitet.
Arbeiten Sie jetzt auch noch mit Kindern und Jugendlichen?
Hin und wieder. Aber das verblasst jetzt. Ich bin mittlerweile 74 Jahre alt. Die Kinder brauchen einen jungen Menschen als Ansprechpartner oder -partnerin.
Am 5. April 2024 beginnt ein neuer Kurs zum Thema „Tricks gegen die Ohnmacht“. Weitere Infos gibt es auf der Website von Bremen 1860.