Nachtwanderer: Seite an Seite durch die Nacht
Sicherheit für Jugendliche in Bremen
Freitagabend 20 Uhr in Hemelingen: Die Nachtwanderer Bremen treffen sich zur Lagebesprechung. Was liegt an diesem Abend an? Wo gibt es in Bremen Feste oder Veranstaltungen, zu denen zahlreiche junge Menschen unterwegs sind? Wohin wollen sie sich auf den Weg machen, um möglichst vielen Jugendlichen des Nachts bis gegen 2 Uhr zur Seite zu stehen?
Sind diese Fragen geklärt, ziehen sie sich ihre Jacken und roten Westen mit der Aufschrift „Nachtwanderer“ an, verstauen Infokärtchen sowie ein Erste-Hilfe-Set in einem Rucksack und gehen los – immer zu viert. „Wir bleiben aus Sicherheitsaspekten zusammen“, erklärt Nachtwanderin Birgit Benke das Vorgehen. „Sollte es mal eine brenzlige Situation geben, dann greifen zwei von uns ein und versuchen, Streit zu schlichten oder anderweitig zu agieren. Die anderen beiden bleiben im Hintergrund, um gegebenenfalls Hilfe zu holen, sofern dies notwendig wird.“
Die Nachtwanderer suchen Plätze auf, an denen sich Jugendliche oft aufhalten. „Meist sind dies eher dunkle Ecken oder Spielplätze. Wir kommen dort mit ihnen ins Gespräch und informieren über unser Hilfsangebot“, erzählt Benke. Häufiger komme es bei ihren Rundgängen dabei sogar vor, dass ihnen Jugendliche ihr Herz ausschütten. Geht der Abend dem Ende entgegen, sind die Nachtwanderer auch in Bussen und Bahnen unterwegs und begleiten so die Jugendlichen zurück in ihre Stadtteile.
Jugendliche schätzen das Angebot der Nachtwanderer
Die Nachtwanderer haben viele gute Erfahrungen gesammelt. „Die Jugendlichen wissen unser Engagement zu schätzen und vertrauen sich uns an“, berichtet Benke. So haben sie zum Beispiel mal einen 13-Jährigen nach dem Freimarkt bis nach Hause begleitet. Er hatte seinen Bus verpasst und war sehr besorgt, dass seine Eltern deshalb auf ihn böse sein könnten. „Am Ende waren aber alle froh und dankbar, dass er wohlbehalten zu Hause angekommen ist“, sagt Benke lachend. Sie hat mit ihrem ehrenamtlichen Engagement gestartet, als ihre eigenen Kinder in der Pubertät waren und selbst anfingen, um die Häuser zu ziehen.
Ein anderes Mal haben die Nachtwanderer einer Gruppe Jugendlicher geholfen, deren Freund betrunken auf einer Treppe zusammengebrochen war. Die Ehrenamtlichen waren zur Stelle. Sie haben den Jungen unterstützt und mithilfe von Bekannten die Eltern verständigt und gewartet, bis er abgeholt wurde. „Oft sind Jugendliche in solchen Situationen überfordert“, betont die Nachtwanderin. Positiv sei es dann, dass die Engagierten den Jugendlichen ein gewisses Sicherheitsgefühl vermitteln. „Die jungen Leute wissen, wie sie sich an uns wenden können, und fühlen sich nicht kontrolliert“, sagt die erfahrene Begleiterin.
Eine gute Vorbereitung ist das halbe Leben
Wer sich als Nachtwanderer engagiert, wird vorher auf verschiedene Situationen vorbereitet. Jedes Jahr zu Saisonbeginn im März bietet die Organisation ihren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern Deeskalations- sowie Erste-Hilfe-Kurse an. An diesem Wochenende spielen sie verschiedene Umstände durch. In Rollenspielen erfahren die Ehrenamtlichen, wie man richtig reagiert, um für den Ernstfall gewappnet zu sein.
Die Idee zu dem Projekt stammt übrigens aus Schweden. Dort gibt es seit rund 30 Jahren Nachtwanderer, die abends durch die Straßen ziehen, um Jugendlichen zur Seite zu stehen. Inzwischen zählt man in dem skandinavischen Land bis zu 200.000 Freiwillige an 300 Orten. Auch in Deutschland ist diese Initiative auf dem Vormarsch. Gruppen wie die um Benke in Bremen gibt es von Schleswig über Aalen bis Metzingen.
Der Schwede Lasse Berger hat die Selbsthilfegruppe in Bremen-Nord vor rund 20 Jahren gegründet, bei der nun etwa 20 Ehrenamtlichen mit von der Partie sind. „Allerdings ist die Zahl der freiwilligen Helfer in allen Stadtteilen leider gerade rückläufig“, sagt Birgit Benke, die von Anfang an mit dabei ist. „Wir suchen händeringend Verstärkung und freuen uns über alle, die helfen wollen. Falls es Eltern gibt, die ihre jugendlichen Kinder und deren Freundeskreis des Nachts ein Stück begleiten möchten, sind sie herzlich bei uns willkommen, mitzumachen“, so die Nachtwanderin. Bremen-Nord sei schon gut aufgestellt, aber im Westen, Osten und in Huchting sucht das Projekt dringend Nachtwanderer-Nachwuchs.
Viele weitere Informationen finden sich auf der Internetseite der Nachtwanderer Bremen und der Internetseite der Nachtwanderer-Hemelingen. Wer Lust hat, selbst aktiv zu werden, und sich den Nachtwanderern anschließen möchte, kann sich gerne an Birgit Benke unter der Mobilnummer 0160/8 42 99 56 wenden.
- Am 15. April 2023 findet von 14 bis 17 Uhr eine Klausurtagung der Bremer Nachwanderer-Gruppen im Ortsamt Lesum (Obere Reihe 2) statt. Zentrales Thema wird die Neuaufstellung der Nachtwanderer sein.
- Regelmäßige Treffen gibt es ab Mai 2023 im Bremer Osten. Alle Interessierten aus Hemelingen, Vahr und Osterholz treffen sich dann jeden zweiten Donnerstag im Monat von 18 bis 19 Uhr in den Räumlichkeiten beim Stadtteilmarketing Hemelingen in der Godehard Straße 3 (gegenüber vom Bürgerhaus Hemelingen).